Licht und Luft

Überwuchertes Natureship "MS Heimliche Liebe"
Natureship MS Heimliche Liebe

Das Frankfurter LiLu am Niederräder Ufer ist ein historisches Bad für Licht und Luft. Heute ist es ein schattiger öffentlicher Raum. Früher badete man im Main, heute chillt man unter schönen alten Bäumen. Ein Beitrag für alle, die den Sommer vermissen und das kleine Abenteuer suchen.

Das LiLu in Frankfurt übt auf mich eine gewisse Faszination aus: Als es 2003 zusammen mit dem schicken Ponton-Café neu eröffnet wurde, war es einfach „the place to be“ und ein beliebter Ort für Fahrradausflüge und Firmenfeiern (man konnte Zubehör für Grillparties wie Schwenkgrills und Bierzeltgarnituren mieten). Man hatte einen Sandstrand aufgeschüttet und neue Spielplätze angelegt. Ein Traum von einem öffentlichen Raum.

Inselabstecher auf dem Heimweg

Aber wie ist das eigentlich, wenn man alleine und unter der Woche nach der Arbeit zum LiLu fährt? Bei schönem Wetter fahre ich mit dem Rad zur Arbeit in die Bürostadt. Das LiLu liegt sogar auf dem Weg, aber ich fahre direkt weiter in die Innenstadt … heute ist ja keine Grillparty und Begleitung hab ich auch nicht, also was soll ich da? Historisch baden, vielleicht?

Das Café Ponton in der Sommerhitze

Dann bin ich auf ein Buch über Mikroabenteuer gestoßen (natürlich in der Bibliothek). Die Idee dahinter: Nach der Arbeit nicht in den Alltagstrott verfallen, sondern ohne große Vorbereitung in die Natur gehen und das Abenteuer suchen. Die Vertreter dieses Trends sind meist mittelalte Sportskanonen, die von Mittwoch auf Donnerstag ganz casual im Wald übernachten und am Donnerstag wieder ins Büro zurückkehren, als sei nichts gewesen. Darüber halten sie spektakuläre Business-Vorträge, für die sich viele Carstens, Thorstens und Markusse total begeistern.

Naja, mir gefällt die Grundidee jedenfalls auch sehr gut. So gut sogar, dass ich mir schon beim Lesen eine Liste mit möglichen (ungefährlichen) Mirkorabenteuern in Frankfurt mache. Und ein Solo-Ausflug ins LiLu nach Feierabend gehört definitiv dazu.

Im LiLu auf Fotosafari

Wie bei jedem guten Mikroabenteuer, fällt die Entscheidung recht spontan. Ende August 2024 will es einfach nicht kühler werden: Die Stadt ist konstant auf über 30 Grad aufgeheizt. Wer aus dem klimatisierten Büro kommt, rennt gegen eine Puddingwand aus feuchtwarmer Luft. Besser allein im Park als in der Altbauwohnung mit Hitzestau, denke ich mir. Außerdem hat ein Kollege frischen Zwetschgenkuchen in die Küche gestellt. Ich packe mir ein Stück ein für ein kleines Picknick mit Mainblick. Ausspannen nach der Arbeit!

Aussichtplattform an der Spitze der Halbinsel.

Das LiLu-Gelände ist täglich von neun Uhr bis zum Einbruch der Dämmerung geöffnet. Es liegt auf einer Halbinsel im Main, die durch den Bau der Schleuse Niederrad entstanden ist. Man überquert eine Brücke: Links die Schleuse und das Schifffahrtsamt, rechts das üppig bepflanzte Natureship MS Heimliche Liebe und geht dann ein paar Stufen hinunter zum LiLu-Gelände.

Hier ist es am Spätnachmittag sehr leer und ganz still. Aber ich bin nicht allein: Eine Frau hat es sich mit ihrer Hängematte am Ufer gemütlich gemacht und liest. Eine andere Dame führt ihren Hund aus (obwohl Hunde auf dem LiLu-Gelände gar nicht erlaubt sind), zwei Männer spielen Boule, jedenfalls fegen jetzt den Platz, damit es gleich losgehen kann und ein junges Pärchen schaut romantisch auf den Fluss. Ruderer ziehen vorbei. Ich drehe eine Runde über das Gelände, um einen guten Picknickplatz zu finden. Eine Bank wäre gut, schließlich habe ich keine Decke dabei.

Luft und Schatten

Das erste, was einem auffällt, ist ein altes Fundament, ich vermute, hier waren einmal Umkleidekabinen. Jetzt sieht es aus wie ein Rohbau, symmetrische Balken, fast wie eine Installation. Daran hängt eine Gedenktafel: Das Licht- und Luftbad Niederrad war während der Zeit des Nationalsozialismus die letzte öffentliche Badeanstalt in Frankfurt, die für jüdische Bürger zugänglich war; im November 1938 wurde ihnen die Nutzung öffentlicher Bäder ganz verboten.

Am Eingang des Lilu steht ein altes Fundament der Umkleidekabinen
Ob das ein altes Fundament ist? Hier hängt jedenfalls eine Gedenktafel.

Von der Badeanstalt ist heute nichts mehr zu erahnen und im Internet finde ich keine Bilder davon, wie es hier früher ausgesehen hat. Nur die Bäume auf dem Gelände waren dabei, als hier noch im Fluss gebadet wurde. Und es stehen wirklich wunderschöne Bäume im LiLu. Die Hitze ist hier viel besser zu ertragen, weil fast der ganze Park schattig ist und der Blick auf den Main zusätzlich kühlt.

Was ich übrigens nicht mehr finde, ist der aufgeschüttete Sandstrand. Es gibt nur noch eine kleine Stelle am Ufer mit einer dünnen Sandschicht, aber die muss man wirklich gut suchen. Es ist Zeit für die Kuchenpause – ich schaue auf den Fluss, freue mich über den Kuchen und genieße die Ruhe.

Sonnenschutz statt Sandstrand.

Wie war es wohl früher, hier zu baden? War es ein gemischtes Bad? Hatte man Bücher und belegte Brote dabei? Handtücher und Badekappen? Hat man hier viel Zeit verbracht, oder sich nur kurz erfrischt? Schnell die Füße, Knöchel und Hände ins Wasser gehalten, ein paar zackige Gymnastikübungen gemacht und dann wieder nach Hause?

hierzu erreichte mich inzwischen der Hinweis auf einen Blogbeitrag des Historischen Museums Frankfurt mit Postkartenansichten der Frankfurter Licht- und Luftbäder.

Abenteuer Tiefenentspannung

Ich habe hier einen tiefenentspannten Nachmittag verbracht, viele Fotos geknipst und mich von der Sommerhitze erholt. Das LiLu ist unter der Woche kaum besucht, was schade ist, denn es bietet ein angenehmes Naturerlebnis mitten in der Stadt. Unkompliziert und ohne Konsumzwang – das macht es besonders wertvoll.

Öffentliche Orte sollten belebt sein mit Radfahrer*innen, mit Menschen die Boule spielen, mit Kindern auf dem Spielplatz und Menschen mit Büchern. Oder mit Menschen, die einfach nur hier spazieren gehen und sich alles ganz genau anschauen, um dann im grauen Herbst davon zu erzählen.


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