„Networking funktioniert nur in Präsenz.“ Als ob.

Einsames Konfetti-Herz auf dem Boden einer alternativen Event-Location.
Networking in der ausgefallenen Location oder gemütlich am eigenen Rechner?

Mein Arbeitgeber lebt von Vernetzung, die Zukunft des Networking ist daher bei uns ein vieldiskutiertes Thema. Naja, eine Diskussion setzt natürlich voraus, dass man sich gegenseitig zuhört. Achtung, jetzt kommt ein Karton ein Rant.

Neulich war es wieder Thema: Mein Gegenüber war völlig davon überzeugt, dass man digital keine Verbindung aufbauen kann, das einzige Mittel, um ein Netzwerk zu knüpfen sei das Präsenztreffen. Digital könne man sich vielleicht informieren, aber „echter Austausch“? (Indem man auf unseren digitalen Plattformen die Chatfunktion zulässt? Online-Meetings ohne Frontalbeschallung, sondern mit Break-Out-Sessions plant, vielleicht? Nein? oki.) Man müsse sich auf jeden Fall live und in Farbe abchecken.

Ich erklärte, dass ich persönlich andere, positive Erfahrungen mit virtueller Vernetzung gemacht hätte … und redete komplett ins Leere. Naja, wenn so der persönliche Austausch aussieht, weiß ich auch nicht.

Bonding durch miesen Kaffee

Wir alle kennen die unersetzlichen Vorteile von persönlichen Treffen:

  • Wir sehen uns in einem glamourösen Rahmen, also jedenfalls wenn die Anreise mit der Bahn klappt, es auf der Autobahn nicht staut, keine wichtigen anderen Meetings oder Messen anstehen und das Reisebudget freigegeben wurde.
  • Alle Sinne werden angesprochen. Zum Beispiel durch die Rückkopplung des Mikros, die unleserliche PowerPoint oder die falsch eingestellte Klimaanlage … und riecht der Teppichboden so komisch, oder was ist das?!
  • Wir sind ungestört vom Arbeitsalltag. Außer in den Kaffeepausen, denn da wird noch eben schnell der Laptop aufgeklappt, das Smartphone gezückt oder wir werden von dieser einen Person vollgelabert, die sich einfach nicht abschütteln lässt.

So entsteht natürlich Bindung, gemeinsames Erleben, Erinnerungspunkte, auf die man sich beziehen kann. Selbst wenn die Bezugspunkte sind, dass der Kaffee kalt, das Catering lieblos, das Programm seltsam und das Podium bis auf die Moderatorin rein männlich besetzt war. Wir bappen gemeinsam Klebezettel an eine Metaplanwand und machen bei der Gelegenheit das obligatorische Selfie für LinkedIn:

„Gestern Abend war es wieder großartig, so viele bekannte Gesichter beim [Name des Branchentreffens] zu sehen! Tolle Gespräche, neue Ideen und eine super Atmosphäre haben den Abend zu einem vollen Erfolg gemacht. #[Name deiner Branche] #Networking #[Name der Event-Location]“

… das Posting wurde natürlich durch KI erstellt mit dem Prompt: „Erstelle mir ein LinkedIn-Posting zu einem Branchentreffen in einer mittelguten Event-Location, wo ich alle getroffen habe, die ich sonst auch treffe. schön positiv bitte.“

Ein Klub, der bereit wäre, mich aufzunehmen …

Bei Präsenztreffen gibt es endlich die Gelegenheit, sich mit ausgewählten Personen auf dem gleichen Level und mit dem gleichen Themengebiet zu unterhalten. Was zählt, ist der Clubgedanke.

Alle sind etwa gleich alt, haben einen ähnlichen Werdegang. Alle hatten heute Zeit und müssen nicht im Büro oder auf Dienstreise sein. Alle heißen Stefan oder Markus oder Andreas. Wir umgeben uns nicht so gern mit Leuten, die ganz anders sind als wir.

Am Ende haben Kim und Finn auch noch eine andere Meinung. Oder einen anderen Erfahrungshorizont. Fragen. Ideen. Wer will das schon? Wir reden lieber mit Leuten, die wissen, wie man Faxe verschickt, beziehungsweise, wie es war, als das die Sekretärinnen noch für uns übernommen haben. Dabei wird dann das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet, ganz genau wie bei einer Geburt. Na sichi, Michi.

Und wenn die Veranstaltung danach nicht so gut bewertet wurde, rotieren die Organisator*innen. Woran lag es? Zu wenig Werbung? Zu viel Konkurrenz? Die falsche Zielgruppe? Wir sollten die Gästeliste besser kontrollieren, unbedingt jede Überraschung vermeiden. Oder besser … die Überraschung ganz genau vorher planen. Dann wird nächstes Mal bestimmt alles gut.

Coole Leute aus dem Internet

Ich habe so viel gelernt von Menschen, die ich noch nie oder erst viel später persönlich getroffen habe: Die ganze Crew vom Assistenznetzwerk (ANID), die LinkedIn Bloglern-Gruppe, mein WOL-Circle und das Team von #Frauenstärken. Alle, die bei den Online-Bildungsurlauben dabei waren und die ganzen Blogger*innen von denen ich immer wieder gerne lese. Sind wir ein exklusiver Klub mit einer „harten Tür“? Definitiv nicht.

Möchte ich zu ihrem Erfolg beitragen? Auf jeden Fall! Werde ich mich an sie wenden können, wenn ich Unterstützung brauche? Da bin ich mir absolut sicher.

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