Nippon Connection 2024

Nippon Connection – Japanisches Kinoerlebnis in Frankfurt

Die Nippon Connection ist die weltweit größte Plattform für japanisches Kino und findet quasi vor meiner Haustür im Mousonturm und auf dem Naxos-Gelände statt. Mein Festivalbericht.

Jetzt ist die Nippon Connection 2024 vorbei und der Mai auch. Ich hatte eine wirklich schöne Festivalwoche mit sieben Filmen in sechs Tagen, manchmal mit Begleitung, manchmal ohne. Den Gewinnerfilm des Nippon Cinema Awards habe ich tatsächlich gesehen, es ist allerdings ein anderer Film geworden, als ich gedacht hatte. Das Festivalgelände war nicht nur liebevoll geschmückt, sondern auch immer mit interessanten Leuten bevölkert. Es gab immer etwas zu sehen, anzuhören und auszuprobieren.

Auf der Nippon Connection lernt man immer etwas dazu. Ich weiß jetzt ungefähr, wie Tofu hergestellt wird, habe die todschicken öffentlichen Toilettenhäuschen Tokios gesehen und eine neues Meeresfrucht kennengelernt. Die Filme zeigen so viele Gegenstände (Küchenutensilien, Kleidung, Fahrräder) und Räume (Badehäuser, Karaoke-Bars, Schreine) des Alltags, die für mich so anders und so interessant sind. Ich bin wirklich happy, dass ich meine Eindrücke direkt hier festgehalten habe und wünsche allen viel Spaß beim Lesen!

Dienstag, 28. Mai 2024

Als Nippon-Friend wurde ich persönlich zur Festival-Eröffnung am Dienstagabend eingeladen und durfte noch eine Begleitung mitnehmen, eine sehr schöne Geste der Wertschätzung für Fördermitglieder.

Die Eröffnungsfeier der Nippon Connection 2024 fand im Mousonturm statt. Das Festival wurde mit einer kraftvollen Taiko-Performance von TAKUYA eröffnet. Es folgten die üblichen Grußworte und der Dank an die Schirmherren und Sponsoren. Das Festival wurde gelobt und das diesjährige Thema „Crossing Borders“ beleuchtet.

Ein Glanzlicht war die Rede der Geschäftsführerin der Hessen Film & Medien GmbH, Anna Schoeppe, die knapp und frisch ihre Verbundenheit mit der Nippon Connection und ihre Wertschätzung für die Organisator*innen von Filmfestivals ausdrückte.

Auch die Festivalleiterin Marion Klomfaß und der Programmleiter Florian Höhr wurden für ein kurzes Interview auf die Bühne gebeten und sprachen über das Festival und die diesjährige Filmauswahl. Außerdem wurden die verschiedenen Filmpreise („Nippon Awards“) vorgestellt. 2024 wird zum ersten Mal der „Nippon Storytelling Award“ vergeben.

Alle Reden wurde simultan übersetzt, was hier und da zu kleinen Hängern und zu verfrühtem oder verspäteten Applaus führte. Der Moderator des Abends, Julian Weinert, war sympatisch und auf Zack. In den Interviewsequenzen war er sehr zugewandt und auch Organisatorisches wurde von ihm gut gelaunt platziert.


„18×2 Beyond Youthful Days“ – romantischer Eröffnungsfilm

Passend zum Festivalmotto „Crossing Borders“ spielt der Eröffnungsfilm „18×2 Beyond Youthful Days“ in Taiwan und Japan und ist zweisprachig (chinesisch / japanisch). Er wurde in der Sektion „Nippon Cinema“ gezeigt und das Publikum bekam die Möglichkeit, über den Nippon Cinema Award abzustimmen.

Jimmy hat gerade einen Karriere-Rückschlag erlitten und beschließt daraufhin, seine Jugendliebe in Japan zu suchen. Er hat die Backpackerin und Malerin Ami vor 18 Jahren bei einem Ferienjob in einer Karaoke-Bar kennengelernt.

Die Gegenwart des Films zeigt Jimmys einsame Reise mit dem Zug durch das verschneite Japan, während die Rückblenden zum Sommerjob in Taiwan bei T-Shirt-Wetter spielen und Ami und Jimmy meist zusammen mit der ganzen Clique zeigen.

Es ist eine romantische Geschichte, die hübsch und klar erzählt wird. Gegen Ende hin verliert die Story jedoch ihre Subtilität und die Musik wird für meinen Geschmack leider zu plakativ eingesetzt. Trotzdem schönes Popcorn-Kino und ein gelungener Festivalauftakt.

Film: 18 x 2 Beyond Youthful Days von Michito FUJII, 123 Minuten


Mittwoch, 29. Mai 2024

Auch am Mittwoch war ich nach Feierabend noch im Kino. Diesmal habe ich einen Film aus dem Nippon Visions-Programm in der Naxoshalle gesehen. Unter „Nippon Visions“ werden die Nachwuchsfilme auf dem Festival zusammengefasst. Auch hier wird ein Audience Award vergeben, man bekommt also wieder einen Stimmzettel 🙂

Das Meer anbrüllen – „Hoyaman“

Der Film HOYAMAN wurde im Rahmen der „Nippon Visions“ gezeigt und ist das Langfilmdebüt von Teraki SHOJI.

Zwei Brüder in einem Fischerdorf stecken in der Klemme: Sie ernähren sich ausschließlich von Fertigramen, das Haus ist verwahrlost und ihr Boot ist nicht abbezahlt. Da taucht eine merkwürdige Frau mit blauen Haaren und einer Tüte voller Bargeld auf und nistet sich bei den beiden ein.

Durch den Film habe ich ein neues Tier kennen gelernt:
die Seescheide (Ascidiacea). Auf der Insel Ajishima, auf der der Film spielt, sind diese „Red Hearts“ eine Delikatesse und sie wurden durch den Tsunami stark beschädigt.

Sollen die Brüder ihr Elternhaus an die verschlossene Anime-Zeichnerin verkaufen und die Insel verlassen? Oder lässt sich mit einem YouTube-Video über den Superhelden „Hoyaman“ genug Geld verdienen, um zu bleiben? Im Laufe des Films stellen sich noch viel weitreichendere Fragen.

In „Hoyaman“ gibt es nicht nur einen Film im Film sondern es wird auch intensiv das Meer angebrüllt – einfach wild! Die Energie des Films ist stark und die Figuren sind sehr liebenswert und gut gespielt. Definitiv empfehlenswert.

Film: HOYAMAN von Teraki SHOJI, 106 Minuten


Donnerstag, 30. Mai 2024

Am Donnerstag habe ich mehr Zeit auf dem Festival verbracht. Es hat viel geregnet, aber darauf war ich gut vorbereitet, denn auch letztes Jahr war das Wetter wechselhaft. Die meisten Aktivitäten finden indoors statt, zum Beispiel der Origamikurs und die Marktstände (ich habe mir ein Paar Zehensocken gekauft!).

Aber auch draußen auf dem Naxos-Gelände war einiges los: Essensstände (japanische Crêpes), ein Gitarrenkonzert und wer wollte, konnte Kendama, ein japanisches Geschicklichkeitsspiel, ausprobieren.

Großes Glück hatte ich mit meinen Filmen des Tages. Beide Filme drehen sich um Essen, beide Filme wurden von den Festivalorganisatoren als Lieblingsfilme angekündigt und beide Filme waren sehr berührend.


Tofu in Hiroshima

In der Sektion „Nippon Cinema“ wurde der Film „Takano Tofu“ als Deutschlandpremiere gezeigt mit einer kurzen Einführung von Marion Klomfaß, die uns den Film wärmstens empfiehlt. Sie bittet den Filmpromoter in Vertretung von Mitsuhiro MIHARA nach vorne, er macht sogar ein Gruppenfoto von ihr und uns im Publikum.

Der Film spielt in Hiroshima und zeigt das Vater-Tochter-Duo Tatsuo und Haru, die gemeinsam eine kleine Tofu-Produktion betreiben. Wenn man sieht, wie der Vater mit seinem schwergägigen, quietschenden Fahrrad unterwegs ist, ahnt man schon, dass dieser Mann keine Veränderungen mag.

Kleiner Exkurs: Wie Tofu gemacht wird, wird im Film ausführlich gezeigt und es ist faszinierend, wie viel Ähnlichkeiten er zur Herstellung von Käse hat. Die Szenerie ist praktisch wie in einer Käserei, nur eben für Tofu.

Als Tatsuo erfährt, dass er sich wahrscheinlich einer Herzoperation unterziehen muss, beschließen er und seine Freunde – eine drollige Clique, die sich immer im Friseursalon trifft – seine Tochter zu verkuppeln … doch Haru, die nach ihrer Scheidung wieder bei ihrem Vater lebt und ebenfalls eine große Leidenschaft für Tofu hat, hat ihre eigenen Pläne.

Der Film ist hervorragend besetzt (Tatsuya FUJI als Tatsuo ist einfach großartig) und die Geschichte wird detaillreich, witzig und liebevoll erzählt. Ohne Kitsch. Das Publikum war zu Tränen gerührt, was für einige schöne Momente nach der Vorstellung sorgte. Ich gehe fest davon aus, dass dieser Film den Cinema-Award gewinnen wird … und habe mich damit getäuscht 🙂

Film: Takano Tofu von Mitsuhiro MIHARA, 120 Minuten


Onigiri in Tokio

Im Rahmen von Nippon Visions fand die Deutschlandpremiere von „PushPause“ statt. Der Film ist das Spielfilmdebüt von Ryoma KOSASA, der bei der Vorführung und der anschließenden Q&A-Runde anwesend war.

Der Titel des Films, „Push Pause“, bezieht sich auf die Zeit des Lockdowns in Japan während der Pandemie. Die Euphorie der Olympischen Spiele und der Paralympics ist gerade vorbei und das Hostel „Coco“ in Tokio hat nur eine Handvoll Gäste und Angestellte.

In einzelnen Episoden, werden die Geschichten der Gäste erzählt. Jede Episode beginnt mit dem ersten Reisbällchen (die Herberge wirbt mit Gratis-Onigiri), das verzehrt wird. Später kommen auch die Geschichten der Gästebetreuerin Utako und des Hauses selbst hinzu. Die Stories werden einfühlsam und subtil aufgebaut, hin und wieder gibt es Berührungspunkte zwischen den Figuren, sie behalten aber alle ihr Geheimnis.

Der Film ist entspannt und vermittelt auf unterhaltsame Weise trotz der aktuellen Probleme der Figuren einen vorsichtigen Optimismus und eine gute Perspektive. Außerdem werden wunderschöne, einfache Mahlzeiten geteilt. Sehr sehenswert.

Film: PushPause von Ryoma KOSASA, 86 Minuten


Freitag, 31. Mai 2024

Freitagnachmittag habe ich mir einen Film im Rahmen von „Nippon Cinema“ (es konnte wieder abgestimmt werden) gesehen, der im Mousonturm-Saal gezeigt wurde. Ich wollte einen Film über Karaoke sehen und bekam einen Yakuza-Film über Karaoke. Und – wow – dieser Film hat tatsächlich den Nippon Cinema Award gewonnen. Gratulation!

Endlich ein Yakuza-Film

Die Europapremiere von „Let’s go Karaoke!“ war ein Volltreffer, denn ich liebe Yakuza-Filme!

Der Schüler Satomi befindet sich im letzten Jahr vor dem Wechsel auf die High School. Doch sein Chor holt bei der Meisterschaft nur den dritten Platz, der Regenschirm mit bunten Schildkröten darauf, den ihm seine Eltern gekauft haben, ist ihm peinlich und auf einmal taucht dieser Yakuza „Crazy Kid“ auf und nimmt ihn mit in eine Karaoke-Bar.

Satomi soll Crazy Kid Gesangsunterricht geben. Die Sache ist ernst: Der Unterweltboss veranstaltet zu seinem Geburtstag einen Karaoke-Wettbewerb und für den Verlierer steht einiges auf dem Spiel. Es ist der Beginn einer großartigen und seltsamen Freundschaft.

„Let’s go Karaoke!“ ist eine abgefahrene Komödie. Das Timing ist exzellent und das Zusammenspiel der beiden Hauptfiguren harmoniert perfekt. Ich hatte richtig viel Spaß beim Zusehen!

Film: Let’s go Karaoke! von Nobuhiro YAMASHITA, 107 Minuten


Samstag, 1. Juni 2024

Mein Filmticket führt mich am Samstaganachmittag in das Cinéma Arthousekino in der Nähe des Roßmarkts. Hier ist weniger Festiva-Stimmung, aber das Kino ist gut besucht.

Komorembi – Wenn Sonne durch Baumkronen scheint

Im Rahmen des „Special Screening“ habe ich „PERFECT DAYS“ von Wim Wenders gesehen. Der Film wurde 2023 bei den Filmfestspielen in Cannes uraufgeführt.

Wir begleiten den Toilettenreiniger Hirayama durch Tokio. Hirayama führt ein bescheidenes Leben ohne großen Komfort (ohne Internet!). Sein Tagesablauf ist geregelt, seine Arbeit erledigt er gewissenhaft.

Hirayama hat viele kleine Glücksmomente am Tag: Auf den Autofahrten hört er Musikkassetten von Lou Reed und Patti Smith, in seiner Mittagspause fotografiert er Baumkronen, nach Feierabend liest er Bücher über Bäume und in seiner Wohnung zieht er Schößlinge groß. Er ist schweigsam, aber immer hilfsbereit. Ist er ein Sonderling? Ein Hippie? Ein Künstler oder ein Aussteiger? Nach und nach erfahren wir mehr über ihn.

Im Film gibt es einige Szenen mit dem Butoh-Tänzer Min TAKANA, der als Obdachloser im Park zwischen den Bäumen haust. Im Butoh verkörpert man oft Pflanzen und Bäume, das kann ich sehr empfehlen, es entspannt.

Es gibt zwei Besonderheiten des Films: Die Kamera ist oft sehr nah an den Gesichtern der Figuren und es gibt Traumsequenzen (im Abspann werden sie „Installations“ genannt) in Schwarzweiß. Die Episoden, die der Film zeigt sind unterhaltsam und haben eine Leichtigkeit, in die man sich gut einfühlen kann. Der Film hat mir gut gefallen, der Blick auf Tokio ist besonders liebevoll.

Film: PERFECT DAYS von Wim Wenders, 123 Minuten


Sonntag, 2. Juni 2024

Auch der letzte Festival-Film für dieses Jahr lief im Cinéma Kino. Trotzdem war ich nochmal auf dem Naxos-Gelände, denn ich wollte endlich Radiogymnastik ausprobieren. Habe mich dann aber nicht getraut, „all in“ zu gehen. Außerdem konnte ich endlich einen kleinen Blick in die Kirigami-Ausstellung 1000 Erinnerungen werfen: Ein Raum voller positiver Energie!

Sentimentaler und atemloser Anime

„The Tunnel to Summer, the Exit of Goodbyes“ aus dem Jahr 2022 ist eine Liebesgeschichte über zwei Jugendliche, Kaoru und Anzu, die sich an einer einsamen Bahn-Haltestelle kennenlernen.

Gemeinsam versuchen sie, Ihrer triste Gegenwart zu entkommen, indem Sie einen mystischen Geheimtunnel, der Wünsche erfüllt, durchqueren. Anzu möchte Mangaka werden und Kaoru seine vestorbene kleine Schwester wiedersehen. Doch schnell merken die beiden, dass sich die Zeit im Tunnel anders verhält als in der Welt draußen. Und auch ihr Pakt und ihre tiefe Freundschaft werden auf die Probe gestellt.

Die Story wird anfangs atemlos erzählt – im Wortsinn ringen beide ständig nach Luft und sprinten durch den Tunnel. Erst als sich die Beziehung zwischen Anzu und Kaoru vertieft, entstehen auch im Film ruhigere Momente.

Besonders eindrucksvoll ist das Lichtspiel im Film: Die Szenen im Aquarium und im Café sind zauberhaft und das Feuerwerk über dem Meer ist intensiv und wirklich was für’s Auge. Für das letze Drittel des Films hätte ich mir jedoch gewünscht, dass die Handlung weniger überstürzt dargestellt wird. Wer Lust auf eine sehr sentimentale Lovestory hat, wird auf jeden Fall zufrieden sein.

Film: The Tunnel to Summer, the Exit of Goodbyes von T. TAGUCHI, 83 Minuten


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