Vortrag auf der Nippon Connection 2025
Ich habe mir den Vortrag von Karin Fleck „Analog Listening Pleasure In Japanese Films“ im Mousonturm Studio 1 angehört. Es war eine gute Stunde über analoge Tonträger im japanischen Film. Dabei wurden Filmauszüge gezeigt und eine Fragerunde gab es im Anschluss auch.
Als ich die Ankündigung des Vortags im Programmheft gelesen habe, habe ich mich zuerst gefragt: Wie funktioniert das eigentlich vom Sound her, wenn mit moderner Filmtechnik aufgenommen wird? Kommen die besonderen Klangfarben Schallplatten und Kassetten da noch gut rüber? Das ganze dann auch noch in einem Vortrag verarbeitet? Spannend.
Außerdem wollte ich den Vortrag gern hören, weil ich morgen bei den Nippon Docs den Film „A Century in Sound“ sehen werde. Auch dieser Film beschäftigt sich mit Klangwelten und Räumen, die das optimale Klangerlebnis bieten sollen. Das Thema Musikgenuss taucht noch an anderen Stellen des diesjährigen Programms. Der Vortrag jedenfalls läuft unter dem Programmpunkt „Obsessions“.
Wie Vinyl die Vergangenheit konserviert …
Karin Fleck wird uns von Leiter des Filmprogramms, Florian Höhr, als Filmwissenschaftlerin vorgestellt, die kürzlich ihre Doktorarbeit zum Thema „Analoge Musikmedien im Hollywood-Film“ eingereicht hat. Extra für das Filmfestival hat sie ihre Recherche auf das japanische Kino ausgeweitet, obwohl das nicht ihr Spezialgebiet ist. Schöner Nebeneffekt: Der Vortrags war in sich eine kleine Retrospektive, denn die meisten der Filme, auf die sie Bezug nahm, wurden auch im Rahmen der Nippon Connection gezeigt.
Ich dachte bei dem Thema ja direkt an den Film „Perfect Days“, den ich letztes Jahr auf der Nippon Connection gesehen habe. Der Protagonist Hirayama hat eine ausgezeichnete Kassettensammlung und landet mit seinem jungen Kollegen sogar in einem angesagten Schallplatten- und Kassettenladen, eine Szene, in der sich Wim Wenders kurz in den Film geschmuggelt hat.
Karin Fleck hat noch eine ganze Reihe weiterer Beispiele und arbeitet sich technisch von der Schallplatte weiter bis zum Mixtape. Ihr Vortrag ist abwechslungsreich und geht immer wieder auf unterschiedliche Aspekte der Thematik ein, so erschließt sie uns ein breites popkulturelles Forschungsfeld.
Ihr erstes Filmbeispiel ist der Anime „Words Bubble Up Like Soda Pop“, in dem sich ein schüchterner Junge und eine quirlige Influencerin gemeinsam auf die Suche nach einer verlorenen Schallplatte machen. Die Platte ist etwas besonderes, nämlich eine „Picture Disk“ mit einer speziellen Banderole („Obi-Strip“). Auch im nächsten Beispiel „Fish Story“ geht es um eine besondere Schallplatte, nämlich dem ersten Punkrock-Song der Welt, und eine Begegnung im Plattenladen an einem Tag, an dem eigentlich alle evakuiert sein sollten.
Analoge Tonträger, so Fleck, stehen nicht nur für eine besondere Art, Musik zu hören und zu zelebrieren, sondern dafür, eine vergangene Zeit zurück zu holen. Denn diese Tonträger ermöglichen es uns, Klang zu konservieren und genauso wieder abzurufen. Wir können also Vergangenes wiederholen. In ersten Filmbeispiel steht die Schallplatte für eine vergessene Erinnerung und im zweiten versetzt sie uns zurück zu verschiedenen Phasen im Leben, an denen wir sie gehört haben.
… und Kassetten die Toten sprechen lassen
Der zweite Teil des Vortrags beschäftigt sich mit Kassetten und Walkmen. Natürlich gibt es einen Mini-Exkurs ins französische Kino mit der epischen Tanzszene aus „La Boum“. (Als Teenie fand ich’s super-romantisch, dass die Musik im Kopfhörer alles überdeckt, heute finde ich es ziemlich witzig, wie wild der Rest der Fete im Hintergrund ist und die beiden sich trotzdem nicht stören lassen. Vor allem er, er trägt ja keine Kopfhörer.)
Karin Fleck hat einige Filme gefunden, in denen Kassetten, Gespräche auf Tonband und Mixtapes die Verbindung zu den Verstorbenen wieder herstellen. Analoge Tonträger also als Mittel der Transzendenz. In „Fish Story“ ranken sich ganze Mythen um die einminütige Pause während des Songs und in „Our-30-Minutes-Sessions“ kann der Protagonist mit Hilfe eines Tapes sogar in den Körper seines toten Freundes zurückkehren.
Schließlich wird noch die Szene aus Perfect Days gezeigt, in der Hirayama mit seiner Nichte zusammen durch Tokyo fährt: Sie weiß nicht, wie man einen Kassettenspieler bedient und er hält Spotify für einen Plattenladen.
Fleck erwähnte in einem Halbsatz, dass im japanischen Film häufig alte Technologie (sie hatte das so ein schickes Wort für, aber ich komme nicht mehr drauf) zur Kommunikation mit der Vergangenheit genutzt wird. Mir kommt da gleich ein Beispiel in den Sinn, denn in „The Tunnel to Summer“ bleiben die durch Welten getrennten Freunde durch einen ollen Pager in Kontakt, ist ja aber kein Tonträger. Animismus, also die Idee, dass Gegenstände beseelt sind, dürfte der Grund dafür sein.
Wie kann man zu diesem Thema Forschen?
Nach dem Vortrag eröffnete Karin Fleck noch die Möglichkeit zum Gespräch über mehr Filmbeispiele und was einem noch zum Thema einfällt. Diese Form des Austauschs hat mir sehr imponiert, denn es war wirklich ein offenes Gespräch. Wunderbar.
Unter anderem wurde die Frage gestellt, wie Forschung zu diesem Thema funktionieren kann. Fleck hat gut gelaunt berichtet, wie sie sich der Frage nach dem japanischen Kino angenähert hat, dass die KI nichts gebracht hat, aber der YouTube Algorithmus schnell gute und passende Ergebnisse angezeigt hat.
Mir hat dieser Vortrag spannende Denkanstöße gegeben und interessante Filmtipps gab es on top.
Zurück zur Übersichtseite Nippon Connection 2025.
Schreibe einen Kommentar