Meine Winterlektüre: Der Trend geht zum Zweitbuch

Buchcover "Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes" und "Der Supergaul"

Helene Bockhorst und Giulia Becker haben im letzten Jahr beide ihr zweites Buch veröffentlicht. mir hatten die Debütromane schon gefallen und auch die aktuellen Werke empfehle ich sehr!

Frischer Lesestoff im Doppelpack: Giulia Becker ist Comedy-Autorin und Helene Bockhorst ist Comedienne. Beide veröffentlichen in einem ähnlichen Rhytmus und beide haben mit dem zweiten Buch eine starke Entwicklung vollzogen. Ich bin voller Bewunderung, beide Bücher sind wahnsinnig gut geworden!

Der Supergaul – Helene Bockhorst

Ich habe beim Lesen von „Der Supergaul“ richtig viel über Pferdehaltung gelernt, obwohl es sich um keinen Pferderoman handelt. Es geht auch viel um Lügen, die Gründe aus denen wir lügen und was dadurch mit unseren Beziehungen passiert.

Die Protagonistin Berenice ist eine Schwindlerin, die als „Pferde-Kommunikatorin“ Pferdehalterinnen, die sich das Verhalten ihrer Pferde nicht erklären können, das Geld aus der Tasche zieht, indem sie ihnen weismacht, sie könne mit den Tieren sprechen. Das ganze ist eine lukrative Gaunerei, doch das ununterbrochene Lügen wird immer schwieriger.

Eine Lüge ist immer auch eine Sollbruchstelle. In jeder Beziehung, die ich bis jetzt hatte, gab es mindestens eine Lüge, von der ich wusste: Wenn das rauskommt, ist es vorbei.

Zum einen, weil Berenice sich in den interessanten Tierarzt verliebt und zum anderen, weil sie nach einem Sturz tatsächlich das Shettlandpony Alvin reden hören kann. Und Alvin hat auch noch einen Detektiv-Auftrag: Berenice soll für ihn herausfinden, was mit seinem Stallnachbarn Rennbrandt passiert ist.

Ich habe das Buch in einem Zug weggesuchtet und bin vollkommen begeistert. Viele Aspekte haben mir sehr gut gefallen: Das Buch hat eine sehr fantasievolle Story, der Plot ist aber stimmig aufgebaut. Die Gefühle (der Menschen und der Pferde) werden genau beobachtet und sprachlich umgesetzt. Erotische Zauberberg-Fanfiction gibt es on top.

Auch ihr Debütroman, „Die beste Depression der Welt“, hatte mich überzeugt. Darin schreibt Bockhorst über Depression, Schreibblockade und Trauma schreibt und gleichzeitig über Freundschaft und Aquaristik. Das neue Buch behandelt ebenfalls Verletzungen aus der Kindheit und Beziehungsprobleme, ist aber viel freier in der Story – eine starke Weiterentwicklung.

Die Entwicklung von Helene Bockhorst setzt sich auch in ihrem Comedy-Programm fort. Darin präsentierte sie „besondere“ Variete-Einlagen und trashige Songs („Gut zu Fischen“ und „Frauen gehören an den Pferd“) … sind übrigens ganz bemerkenswerte Ohrwürmer. Gesehen im Neuen Theater Höchst.

„Der Supergaul. Kein Pferderoman“ von Helene Bockhorst, Ullstein Bucherverlage, 2024


Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes – Giulia Becker

Giulia Becker war im Dezember begleitet von Nils Bokelberg auf Lesetour. In Frankfurt fand die Lesung im Netzwerk Seilerei statt und das Publikum bestand aus vielen fröhlichen Drinnies. Neben der Lesung gab es Gespräche mit Nils Bokelberg und es wurden (vorher auf Zetteln in einer Box gesammelte) Fragen aus dem Publikum beantwortet.

Mein Highlight der Veranstaltung war die Performance des Schlagers „Barista für eine Nacht“. Beide Interpreten waren sehr um Ernsthaftigkeit bemüht, konnten sich aber dann doch über die Absurdität des Songs komplett beömmeln.

Das aktuelle Buch von Giulia Becker ist eine Kurzgeschichtensammlung, in der sie sich ordentlich kreativ ausgetobt hat. Neben Kurzgeschichten gibt es praktischen Checklisten und Fragebögen („Selbsttest: Bin ich ein Vampir?“) und die Erzählerin erlebt allerhand Abenteuer: Eingeschlossen im Mediamarkt, auf Urlaub im Wellnesshotel. Von der Empore des Thermenhotels aus das Treiben in den Becken beobachten:

Von oben sehen die Badenden aus wie siedende Knödel, die gerade ihren Garpunkt erreicht haben und deswegen schwerelos an die Wasseroberfläche gestiegen sind.

Es geht aber auch um die großen Themen: Schlafen, Wandern, Ehe und Tod. Becker hat in diesem Buch ihre Form gefunden und besticht durch perfektes Timing und Beobachtungsgabe.

Auch hier sehe ich eine riesige Entwicklung im Vergleich zu ihrem Debütroman. In „Das Leben ist eins der Härtesten“ arbeitet die Protagonistin Silke in der Bahnhofsmission, weil sie 1991 wegen einer Panikattacke die Notbremse im Zug betätigt hat und erlebt einen wilden Roadtrip ins Tropical Island. Ich mochte das Buch außerordentlich, aber in der Rückschau hätte ich mir auch für diesen Stoff die viel freiere Form des neuen Buchs gewünscht.

„Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes“ von Giulia Becker, Rowohlt Buchverlag, 2024

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