Nippon Connection 2025 – Dokumentation
Musik und Film, dieses Jahr habe ich diesen Schwerpunkt bei der Auswahl gesetzt. A Century in Sound besteht aus den ersten drei Teilen einer Dokumentarserie über japanische Musikcafés.
Mal wieder eine späte Vorstellung, um kurz nach neun geht es los im Kino in der Naxoshalle. Freie Platzwahl, wir landen ziemlich weit vorn, aber haben noch bequeme Sicht. Ich hatte mit einem Dokumentarfilm gerechnet, aber tatsächlich war es viel mehr: Eine ganze Doku-Serie, die das Jahrhundert anhand von Meikyoku Kissa, den traditionsreichen japanischen Musikcafés, nachzeichnet.
In den Kissa-Cafés geht es nicht um Kaffee und Kuchen, sondern um den perfekten Musikgenuss und die vollendete Soundanlage. Ihren Ursprung haben diese Cafés darin, dass nicht alle sich eine Musikanlage und eine Plattensammlung leisten konnten. Um Musik zu hören, ging man also in ein Café, das diese Anlage hatte.
Im Laufe des Abends bekommen wir drei Kissas aus drei verschiedenen Epochen vorgestellt und lernen die Besitzer und Gäste kennen. Im Anschluss gibt es noch ein Q & A mit Nick DWYER, einem der Regisseure der eigentlich sechsteiligen Serie. Drei Teile dürfen aus Musikrechtlichen Gründen (noch) nicht gezeigt werde.
Drei Jahrzehnte in drei Episoden
In der ersten Folge erfahren wir alles über das Lion Café, dass 1926 eröffnete und dann im zweiten Weltkrieg zerstört wurde. In den 50er Jahren wurde es im Partyviertel Shibuya wieder aufgebaut und seitdem kaum verändert. Das Lion Café ist spezialisiert auf klassischen Konzertaufnahmen. Handys, Gespräche und auch Essen ist in diesem Café nicht gestattet, damit man ungestört Musik hören kann.
Die Dokumentation zeigt nicht nur die leicht angestaubte Technik, die hinter dem Musikerlebnis steht, sondern porträtiert die Besitzerin Keiko und ihre Erlebnisse mit dem Café und wie sie die Bombenangriffe auf Tokyo im zweiten Weltkrieg erlebt hat. Auch ihr Umgang mit der Veränderung des Viertels nach dem Krieg wird thematisiert.
Folge zwei der Dokumentation besucht ein Jazz Kissa „Jazz and something else“. Dieses Café wird von einem alten Hippie-Ehepaar gemeinsam mit ihrem verehrten Kater Kotaro geführt. Der Besitzer erzählt uns über sein Engagement und auch seine Abkehr aus der Studentenbewegung der 60er und 70er Jahre und über seine Liebe zur Musik, zu seiner Partnerin und natürlich dem Kater, der als Maskottchen die besten Plätze im Café bewohnt und Laut gibt, wenn die Platte zu lange nicht gewechselt wird.
Die dritte Folge der Dokumentation stellt eine Rock Kissa vor, das Birdsong Café, das auf Musik der 70er und 80er Jahre spezialisiert ist. Diese Kissa ist sehr versteckt und klein und wird von einigen Stammgästen – allesamt Musikbegeisterte – über Wasser gehalten. Die Doku geht dabei auch auf das boomende Lebensgefühl der 80er Jahre und die wechselhaften Lebensgeschichten der Stammkundschaft ein.
Leidenschaftliche Fragerunde
Drei Folgen dieser beeindruckenden Serie am Stück ist eine Menge Input für einen Abend. Danach dann noch die Fragerunde mit Nick DWYER. Schnell stellt sich heraus, dass er unheimlich aufgeregt und begeistert ist, darüber, dass die Serie im Rahmen des Festivals gezeigt wird. Insbesondere, das gemeinsame ansehen dieser Filme – so wie im Musikcafé durch das gemeinsame Hören ein Gemeinschaftsgefühl entsteht.
Schnell zeigt sich, dass es viel Herzblut und Durchhaltevermögen braucht, eine Dokumentation in diesem Detailreichtum zu drehen und dann auch dafür zu sorgen, dass sie gezeigt werden kann. Die Jahre der Vorbereitung, um die richtigen Cafés auszuwählen, dann das Vertrauen aufzubauen um drehen zu dürfen und danach noch jahrelange Rechte-Klärung für die gezeigten Musikstücke. Nick DWYER berichtet, dass er alleine über sieben Jahre gebraucht hat, um für 150 Stücke die Rechte zu erhalten, so dass nun immerhin drei der sechs Teile gezeigt werden dürfen.
Eine eindrucksvolle Serie, die ich mir sofort wieder anschauen würde, sobald sich die Gelegenheit ergibt, wobei ich mir wohl mehr Zeit für jede der Episoden nehmen würde. Ich drücke auf jeden Fall die Daumen, dass bald alle Teile der Serie verfügbar sind und noch ganz, ganz oft gezeigt werden!
Serie: A Century in Sound von Nick DWYER und Tu NEILL. Deutschlandpremiere in Anwesenheit des Regisseurs Nick DWYER.
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WIllst du lieber wissen, wie es am gleichen Tag auf dem Festival war, kannst du hier nachlesen, wie man mit einem Sumo-Ringer kämpft.
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