Woran denkst du, wenn die eine Brücke voller Liebesschlösser siehst?

Brücken verbinden – geteiltes Wissen ebenfalls.

Die Schlösser an der Brücke sind ein starkes Bild. Während ich bei meiner Tour am Main darüber nachdenke, fällt mir immer wieder ein, dass Liebesschlösser etwas Ähnliches sind wie verschlossenes Wissen in einem Unternehmen. Das war sicher auch euer erster Gedanke, oder?

In jeder größeren Stadt findet man sie: Bunte Vorhängeschlösser mit Gravur, die kunstvoll an Brücken befestigt sind. Denn wenn ein Paar sich liebt, hängt es ein Schloss an eine Brücke und wirft feierlich den Schlüssel weg.

Die Last mit den Liebesschlössern

Liebesschlösser liegen immer noch im Trend – sie verkörpern Romantik und haben gleichzeitig Street-Art-Charme. Verliebte Pärchen hängen ein Vorhängeschloss an eine Brücke – natürlich heimlich und im Kapuzenpulli, Street-Guerilla-Style – und werfen gemeinsam den Schlüssel in den Fluss. Für immer verbunden, unzertrennlich.

Wenn ich nach einem Tag im Homeoffice meine Feierabendrunde am Main drehe, mache ich gern Insta-Fotos von den glitzernden Liebesschlössern am Eisernen Steg mit der Skyline im Hintergrund. Jedes Schloss steht für eine Liebesgeschichte, soviel ist sicher, aber welche, das bleibt ein Geheimnis.

Für die Brücken ist dieses Ritual nicht so toll: Liebesschlösser bedeuten nämlich Ballast und Korrosion. Die Schlösser wuchern über die ganze Brücke und bilden sogar Cluster. Das ist Ballast für die gesamte Konstruktion. Rostschutz auftragen? Wird schwierig, wenn alles mit kleinen Liebesbeweisen bedeckt ist. Auch das Entfernen der Schlösser kann die Brücke beschädigen.

Von Romantik und Rost

Die Schlösser an der Brücke sind ein starkes Bild. Während ich bei meiner Tour am Main darüber nachdenke, fällt mir immer wieder ein, dass Liebesschlösser etwas Ähnliches sind wie verschlossenes Wissen in einem Unternehmen. Das war sicher auch euer erster Gedanke, oder?

Die Schlösser stehen für die zahlreichen und sorgfältig angelegten Wissensgärten, die es in jeder großen Organisation gibt: Die ausgedruckte Telefonliste und die handschriftlichen Notizen in der Schreibtischschublade, die alten Besprechungsprotokolle, von denen nur ein Kollege weiß, wo sie auf dem alten Laufwerk abgelegt wurden, das inoffizielle Organigramm, das eine Kollegin mal aus dem Gedächtnis gezeichnet hat und die interne Datenbank, die nur wenige alte Hasen richtig bedienen können.

Dieses irgendwie vorhandene, aber nicht leicht zugängliche Wissen, ist für Organisationen und Unternehmen ähnlich problematisch, wie Liebesschlösser für eine Brücke.

Vom Drahtseilakt zum Netzwerk

Verschlossenes Wissen macht eine Organisation schwerfällig und unflexibel. Mühsame interne Recherchen kosten wahnsinnig viel Zeit. Wissen schnell aufzufrischen ist aussichtslos, wenn man feststellen muss, dass jede Abteilung eine unterschiedliche Variante eines Memos in Umlauf gebracht hat. Auch das Bereitstellen von Informationen wird unnötig kompliziert, wenn man dabei verschiedene Orte (Teams, Intranet, Social Intranet, Mailverteiler) bedienen und ajour halten muss, weil es sich über Jahre hinweg so etabliert hat.

Liebesschlösser sind auch deshalb ein starkes Bild, weil sie emotional aufgeladen sind. In einer Organisation, in der sich viele Beschäftigte als “Wissensarbeiter” verstehen, ist es rein emotional nicht einfach, das eigene Wissen zur Verfügung zu stellen.

Jeder hat sich schon mal besorgt gefragt, was passiert, wenn man die eigene Expertise allen im Unternehmen zugänglich macht: Wird mein Wissen richtig verstanden und angewandt? Kann ich ein Thema an eine Kollegin weitergeben oder ist es besser, wenn alle Anfragen über meinen Tisch laufen? mache ich mich angreifbar oder im schlimmsten Fall überflüssig, wenn ich meine Quellen und Methoden offen lege?

Auch Projektgruppen, Fachbereiche und Abteilungen müssen solche Fragen für sich beantworten und die richtige Balance finden.

Herz öffnen – Ballast abwerfen

Wie kann man also sein Herz in die Hand nehmen und sein Wissen für die Organisation aufschließen? Auf jeden Fall hilft es, eine andere Einstellung zum Wert des eigenen Wissens zu entwickeln. Dafür gibt es einen Trick: Sich klar machen, dass Wissen mehr ist als Information. Wie beim selbstgebauten IKEA-Möbel ist das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Wissen ist im Gegensatz zu Information personengebunden. Es kommt also auf das Gesamtpaket an: Persönlichkeit, Erfahrung und Beziehungen machen Information erst wertvoll. Wissen teilen ist daher Netzwerkarbeit.

Wir können überflüssigen Ballast abwerfen, indem wir Dokumente auf OneDrive und SharePoint gemeinsam bearbeiten und zwar über Organisationseinheiten hinweg. Wir befreien uns von internen E-Mails, die den Posteingang verstopfen. Niemand muss mehr Dokumentversionen ablegen oder parallele Änderungsversionen auseinanderdividieren. Gemeinsam genutzte Dokumente bleiben lebendig und aktuell. Gleichzeitig bleibt der individuelle Beitrag wertvoll und sichtbar. Die gemeinsame Wissensarbeit ist dynamisch, schnell und mehrdimensional, weil Informationen aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und interpretiert werden.

Brücken bauen für gemeinsames Wissen

Wenn wir Wissen als personengebunden betrachten, bedeutet „Wissen teilen“ konkret mehr Team- und Projektarbeit, mehr gegenseitige Unterstützung, mehr Vertrauen und mehr Flexibilität. Die neuen digitalen Werkzeuge beziehen den Faktor Persönlichkeit mit ein. Beispiele gefällig?

  • Mit deinem Online-Profil (egal ob LinkedIn oder intern) kannst allen im Unternehmen vermitteln, was deine Spezialthemen sind („Kaffee, Wasserhäuschen, Wissensmanagement“) und womit du dich sonst so beschäftigst („Popkultur, mehr Kaffee“).
  • Du möchtest ein dickes Lob an eine Kollegin aus deinem Projekt-Team aussprechen? Teams ermöglicht ein Praise, einen virtuellen Lobgesang mit viel Tamtam und fröhlichen digitalen Stickern.
  • Der Lieblingskollege leistet im Social Intranet immer erste Hilfe und postet die spannendsten Tipps? Werde zum Follower!

Geteiltes Wissen schafft Freiräume für die wichtigen Dinge: Die Beziehung zum Kunden zu intensivieren und sich Zeit zu nehmen, um zu erkennen, was das Unternehmen oder die Branche in Zukunft braucht. Der Wert der Netzwerkarbeit in der Digitalisierung besteht in persönlichen Beziehungen, gemeinsamen Erfahrungen und dem Austausch untereinander.

Nochmal zurück zu den Liebesschlössern. Warum, glaubst du, hängt man diese kleinen Liebesbeweise überhaupt an eine Brücke? Ganz einfach: Brücken verbinden.

3 Kommentare

  1. Wow, sehr inspirierend, danke 🙂

    Teams hat sich bei uns noch nicht so durchgesetzt im Hausgebrauch. Vielleicht tut sich da ja bald was….

    Ina

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