Talente an Bord holen: Bewerbungsprozesse wertschätzend gestalten

Am 28. April 2025 habe ich Anneke Jahns über die Rolle der Assistenz im Bewerbermanagement interviewt. Zwei Tage später lag eine Postkarte von ihr mit Grüßen zum Tag der Assistenz in meinem Briefkasten. Denn Anneke lebt, was sie im Interview betont: Wertschätzende Kommunikation.

Anneke ist Personalberaterin und spezialisiert auf Personalsuche und Bewerbungscoaching. Als langjährige (HR-)Assistentin weiß sie, an welchen Stellen Assistenzen im Bewerbungsmanagement unterstützen können. Genau zu diesem Thema hat sie auch einen Beitrag für das Standardwerk „Chefsache Assistenz“ geschrieben.

Wir kennen uns übrigens aus dem Assistenznetzwerk, Anneke war im ANiD bis 2024 im Leitungsteam und als Regionalgruppenleiterin aktiv. Im Interview hat sie ihr umfangreiches Wissen zum Thema Recruiting mit mir geteilt.

Viel mehr als „nur Papierkram“

Warum gerade jetzt ein guter Zeitpunkt ist, sich mit dem Thema Personalsuche zu beschäftigen, beschreibt Anneke gleich zu Beginn des Gesprächs sehr eindringlich.

„Wir haben einen Arbeitnehmermarkt, es gibt einen ‚War of Talents‘. Die Kandidaten bewerben sich wegen der Unternehmensmarke, aber am Ende entscheiden sie sich ganz klar wegen der Mitarbeiter für eine Zusage. Der erste Ansprechpartner zu sein und den Kontakt zu halten, ist enorm wertvoll.“

Personalabteilungen haben einen Mangel an Recruiter:innen, die fast so dringend gesucht werden, wie IT-Fachkräfte. Viele Firmen stehen unter Druck, weil sie viele Bewerbungsprozesse parallel, schnell und transparent abwickeln müssen.

Hier besteht die Gefahr, dass Kandidat:innen im laufenden Prozess abspringen (laut Stepstone 44% nach Einreichung der Unterlagen, 10% nach dem Bewerbungsgespräch, 2% nach der mündlichen Zusage und 5% erscheinen nicht zum ersten Arbeitstag).

An dritter Stelle der Gründe für einen Kontaktabbruch im Bewerbungsprozess stehen langwierige oder unklare Prozesse. Anneke kennt das aus der Praxis: Bewerber:innen erhalten beispielsweise keine Eingangsbestätigung und haben lange Wartezeiten ohne Feedback, ob es mit der Bewerbung weitergeht oder nicht.

„In so einem Fall kann es passieren, dass jemand in Zukunft nicht mal mehr bei dem Unternehmen einkaufen will. Die Bewerber denken sich ‚Och Mensch, wenn die nicht mal eine Bewerbung absagen können, warum sollte ich dieses unterstützen?‘ Das hat Auswirkungen auf den Ruf des Unternehmens.“

In dieser Gemengelage können Assistenzen das Unternehmen entlasten. Sie tragen durch wertschätzende Kommunikation, Struktur im Prozess und Kreativität zum Erfolg des Bewerbungsprozesses bei.

Kommunikation als Form der Wertschätzung

Anneke erklärt, wie Assistenzen den Verlauf des Bewerbungsprozesses mitgestalten und potenzielle Mitarbeiter:innen binden können.

„Assistenzen sind oft die Ansprechpartner für Fragen, die Kandidaten und Kandidatinnen vielleicht nicht unbedingt im Erstgespräch stellen möchte: Kann ich meinen Hund mitnehmen? Wie ist denn die Kleidungsetikette?“

Dadurch, dass die Assistenz Eingangsbestätigungen an die Bewerber schickt und Gesprächstermine koordiniert, ist sie eine feste Anlaufstelle für alle Kandidaten und das Aushängeschild des Unternehmens.

Gehen Assistenzen hierbei die Extra-Meile, sorgen sie aktiv dafür, dass sich Kandidaten für das Unternehmen entscheiden. Ein aufmerksamer Kontakt in der Phase von der Vertragszusage bis zum ersten Arbeitstag bedeutet zum Beispiel:

  • Informieren, dass der Vertrag angekommen ist mit einem „Wir freuen uns auf dich!“
  • Einladung zum Sommerfest, zur Weihnachtsfeier oder Gratulation zum Geburtstag: Es gibt immer Anlässe, sich kurz zu melden.
  • Ein Begrüßungspaket kurz vor Arbeitsantritt.
  • Eine Mail oder ein Telefonat, um den Ablauf der ersten Tage zu skizzieren.

Es geht darum, die Bewerberin oder den Bewerber als Teammitglied mitzudenken. So gewinnen die neuen Mitarbeitenden von Anfang an die Sicherheit, sich für das richtige Team entschieden zu haben und zwar schon vor dem ersten Arbeitstag.

Bewerbungsprozess im Auge behalten und Emotionen einfangen

Für Anneke bringen Assistenzen genau die richtigen Eigenschaften für das Bewerbermanagement mit. Recruiting beschreibt Anneke als einen Bereich, der viel Freude macht, gerade, wenn man Lust hat, sich um Leute zu kümmern und Emotionen einzufangen.

„Einen Bewerbungsprozess zu begleiten, macht einfach super viel Spaß. Man lernt ganz großartige Menschen kennen, die man sonst nicht kennenlernen würde. Assistenzen bringen dafür die besten Voraussetzungen mit: Eine strukturierte Arbeitsweise und Offenheit für neue Menschen mit spannenden Werdegängen.“

Die Rolle der Assistenz geht schnell über die Bewerber:innen-Korrespondenz hinaus. Assistenzen können den gesamten Prozess nachhalten, auch intern:

Sind alle Bewerbungen erfasst (auch wenn sie nicht auf dem üblichen Weg eingegangen sind)? Haben alle der Datenschutzerklärung zugestimmt? Auch das Ende des Prozesses muss kommuniziert und Absagen unter Beachtung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes verschickt werden.

Kenntnisse über den Datenschutz in der Bewerbungsphase und auch über das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sind ein wichtiger Skill und definitiv von Vorteil, wenn man sich dieser Aufgabe widmet.

Nicht irgendein Tool, sondern Menschlichkeit, Menschlichkeit, Menschlichkeit

Auch technisch interessierte Assistentinnen und Assistenten können ihren Teil zum Rekrutierungsprozess beitragen. Angefangen beim Teilen von Stellenanzeigen in Social Media – auf LinkedIn haben sie oft ein großes Netzwerk – bis zum Knüpfen und Pflegen von Kontakten über diese Plattform.

Gerade neue Trends wie das zeitversetzte Interview erfordern technisches Geschick und Spaß am Ausprobieren.

„Beim zeitversetzten Interview wir ein Video mit drei Fragen aufgenommen, die die Bewerberin oder der Bewerber – von zu Hause aus und zu seiner Lieblingszeit – beantwortet. Assistenzen können zum Beispiel Fragen beisteuern, die Videos filmen oder selbst vor der Kamera stehen.“

Natürlich ist KI auch im Recruiting ein Megatrend. Im Kleinen kann KI eingesetzt werden, um Kommunikationsanlässe zu finden und die Korrespondenz dafür vorzubereiten. Wenn ein KI-Tool für die Bewerbersuche eingesetzt werden soll, kann die Assistenz mithelfen, verschiedene Tools zu testen und Entscheidungsvorlagen zu erstellen.

Anneke gibt jedoch zu bedenken, dass KI-gesteuerte Prozesse bei Bewerbern bisher eher unbeliebt sind, aus ihrer Sicht bleibt der zwischenmenschliche Kontakt unverzichtbar.

„Insofern steuert die Assistenz das Wesentliche bei: Menschlichkeit, Menschlichkeit, Menschlichkeit.“


Möchtest du mehr erfahren über Recruiting und strukturierte Bewerbungsprozesse?

Dann lies rein in das Buch „Chefsache Assistenz“ und vernetze dich mit Anneke über LinkedIn.

Foto von Anneke Jahns im Teamscall beim Interview

In dieser Interviewserie stelle ich verschiedene Facetten der Assistenzarbeit vor. Das erste Interview der Reihe findet ihr hier.

Hast du ein Assistenz-Lieblingsthema, über das wir sprechen sollten? 

Dann freue ich mich über die Kontaktaufnahme per E-Mail oder über LinkedIn!

Das Titelfoto ist von Inga Sommer. Die beiden kleinen Bilder sind Screenshots unseres Interview-Calls.


Praxistipps für alle, die sich für Recruiting interessieren

Annekes praktische Tipps im Überblick:

  • Annekes Top-Tipp lautet „Traut euch! Seid einfach mutig und fangt an.“ Sobald man die ersten Schritte gemacht hat und Spaß daran hat, kann man mit seiner Führungskraft über weitere Aufgaben im Bewerbermanagement sprechen.
  • Eine gute erste Aufgabe ist die Sichtung der Bewerbungen und Vorbereitung der Unterlagen für die Chefin oder den Chef: z. B. das Alter der Kandidat:innen (anhand des Geburtsdatums) auf den Unterlagen vermerken und Besonderheiten der Bewerbung markieren.
  • Eine E-Mail mit dem Ablauf für den ersten Arbeitstag erleichtert neuen Mitarbeitenden den Start. So wissen sie direkt, wo sie in Empfang genommen werden, wie für das Mittagessen gesorgt wird und dass ihr neues Team sie erwartet.
  • Auch zu gelungenen Stellenausschreibungen können Assistenzen beitragen. Sie können einschätzen, welche persönlichen Eigenschaften Bewerber brauchen, um perfekt ins Team zu passen.
  • Assistenzen können den gesamten Bewerbungsprozess vom Eingang der Unterlagen bis zur Absage nach Ende des Bewerbungsprozesses nachhalten. Dabei sind die Datenschutzgrundverordnung und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz unbedingt einzuhalten.

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