Mareike Fallwickl nimmt in „Und alle so still“ das Thema der Verweigerung aus ihrem Vorgängerroman „Die Wut, die bleibt“ wieder auf und lässt die Welt zusammenbrechen.
Was passiert, wenn Frauen erschöpft auf der Straße liegen – lautlos – ohne Forderungen und ohne in Verhandlung zu treten?
Mütend sein

Die österreichische Autorin Mareikel Fallwickl legt mit „Und alle so still“ ihren vierten Roman vor. Erschienen ist das Buch 2024 bei Rowohlt.
Der Roman beschreibt dieses Szenario aus der Perspektive dreier Figuren: Der Influencerin Elin, dem Rider Nuri und der Pflegekraft Ruth.
Im Mittelpunkt steht Elin, die ihre Großmutter im Krankenhaus sucht und sie stattdessen zusammen mit einer Gruppe anderer Frauen vor dem Krankenhaus liegend vorfindet. Elin wird Teil der „Bewegung“ und durch sie sind alle Protagonist*innen des Romans miteinander verbunden. Während Elin tiefer in die neu entstandene Frauengemeinschaft eintaucht, arbeitet die Pflegekraft Ruth bis zur äußersten Erschöpfung weiter, um den Krankenhausbetrieb aufrechtzuerhalten. Aus ihrer Perspektive wird gezeigt, wie das Gesundheitssystem ohne die Arbeit, die von Frauen geleistet wird, innerhalb einer Woche kollabiert. Auch Nuri arbeitet im Krankenhaus, er schiebt Betten für ein Subunternehmen. Nuri ist übermüdet, überarbeitet und wütend über seine ausweglose Situation (#mütend). Sein Tag wird von prekären Gelegenheitsjobs bestimmt, die ihm per App zugewiesen werden. Im Laufe der Erzählung solidarisiert er sich mit den Frauen.
Mareike Fallwickl entwirft im Roman eine drastische Zukunftsvision. Dabei beschreibt sie eindrucksvoll den Status Quo von Pflegekräften und von Personen, die im Niedriglohnsektor Extremarbeit leisten müssen.
Die Handlung bleibt spannend, auch wenn der Prozess der kollektiven Verweigerung undeutlich bleibt: Fallen die Frauen in eine Art Erschöpfungs-Trance oder wurde einfach nur ein Kipppunkt überschritten?
Diesen Sommer habe ich drei richtig gute und spannende Romane gelesen von den Autorinnen Mareikel Fallwickl, Paula Irmschler und Caroline Wahl.
Alle drei Bücher habe ich mit großer Offenheit und Neugierde gelesen und schnell Parallelen und Berührungspunkte gesehen.
Könnten Elin und Ida aus „Windstärke 17“ überhaupt miteinander in Kontakt treten? Elin ist ja doch etwas abgehoben … Immerhin spüren Elin und Ida ihren Körper am besten unter Wasser. Beide kennen ihre Väter nicht und haben ein schwieriges Verhältnis zu ihren Müttern.
Bücher, die dazu passen
Virginie Despentes, Das Leben des Vernon Subutex, KiWi, 2018
Marlen Haushofer, Die Wand, Claassen, 2023
Mein Eindruck: Bücher von Autorinnen werden – wenn sie überhaupt rezensiert werden – viel kritischer besprochen, als die von männlichen Autoren. Da hilft nur lesen, lesen, lesen und sich selbst ein Bild machen.
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