Hausgemachter Käse

So lautet der Impuls der 63. Blognacht. Ich lasse meinen Gedanken freien Lauf und merke beim Schreiben immer mehr, wie sehr ich mir digitale Ordnung und eine Auszeit mit Käseplatte wünsche.

Hausgemachter Käse also. Ich kenne mich kaum mit der Herstellung von Käse aus. Denke an Verkaufsstände auf dem Öko-Weihnachtsmarkt, dekoriert mit Strohballen und Butterfass und daran lehnt eine Schiefertafel mit der Aufschrift „Hausgemachter Käse“.

Und an Dokus von der Alm. Die Frauen stehen im Morgengrauen auf, versorgen die Tiere, den Hof, bereiten Frühstück. Danach geht es in einen gefliesten Hygienebereich mit Edelstahltanks. Die Frauen tragen Gummischürzen und Haarnetze und rühren mit langen Stangen (Paddel? Siebe? Kescher?) gleichmäßig in großen trüben Bottichen um Frischkäsebröckchen zu einem Laib zu formen.

Meine Freundin B., die eigentlich für alles kreative und handwerkliche schonmal einen Kurs gemacht hat, weiß bestimmt, wie das Schritt für Schritt geht. Wenn ich hingegen an hausgemachten Käse denke, dann denke ich eher an meinen Frust der letzten Wochen.

Digitalisierung nicht zu Ende gedacht

Worüber ich mich ganz ausführlich äußern könnte, ist hausgemachter Unsinn bei der Digitalisierung. Wenn Prozesse nicht zu Ende gedacht werden, entsteht oft ziemlicher Käse. Mein Schmerzpunkt ist im Moment, dass die Arztpraxen immer schlechter telefonisch erreichbar sind.

Ich finde es zwar schon praktisch, Termine online zu machen. Aber wie ist das für Menschen, die kein Internet haben? Oder nur schlecht sehen können? Die nicht so mobil sind, dass sie mal eben schnell in der Praxis vorbeigehen können? Da wäre ein Anruf wesentlich leichter.

Ein Telefon ist ein Werkzeug, dass durchaus mehr kann, als nur zu senden. Es ermöglicht sogar Kommunikation in Echtzeit. Wenn kein Personal da ist, um zu telefonieren, wäre doch wenigstens die Option, eine Nachricht auf einem Anrufbeantworter zu hinterlassen, eine Idee – nicht ganz neu, aber seit den 90ern durchaus effektiv. Wenn aber die Bandansage nur dazu da ist, mitzuteilen, dass man sich jetzt online melden soll, ist das einfach miefiger Käse.

App ohne Mensch – Mensch ohne Plan

Auch im Büroalltag habe ich hier und da digitalen Käseduft in der Nase. Wir können beispielsweise unsere Meetingraum-Verwaltungs-App nur ganz eingeschränkt verwenden, da in jedem Raum nur ein Meeting pro Tag gehalten werden kann.

Warum? Weil die Meeting App nicht die echte Arbeit erledigt: Tische und Bestuhlung stellen, Kaffee und Kekse (ich finde Meetingkekse sind totaler Käse) eindecken und wieder abräumen, durchlüften, Tische abwischen, staubsaugen. Macht die App nicht. Das machen Menschen. Die lassen sich nicht auf Knopfdruck buchen, wie die Räume.

Hausgemachter Käse sind auch halbherzig digitalisierte Prozesse. Ich gebe als Teil meines Jobs die gleiche Information mehrfach in unterschiedliche Systeme ein. Warum? Weil jede Anwendung für sich nur einen Teil des Prozesses abbilden kann. Manchmal auch, weil nicht alle Mitarbeitenden gleichermaßen Zugriff auf alle Systeme haben.

Also werden nochmal „eigene“ Excel-Übersichten oder eine der mir verhassten Tabellen in Word eingerichtet, um diesmal wirklich alle Informationen zu bündeln. Tabellen in Word sind Käse. Excel-Listen, die nicht rechnen können, oder wenigstens gefiltert werden können, sind ganz großer Käse.

Es gibt nie diese eine Liste, die alle Informationen bündelt, jede Organisationseinheit baut sich eine eigenen Workaround. Hausgemachtes Chaos, alles Käse.

Lieber Käse selber machen

Ich merke, dass ich reif bin für den Urlaub. Daran, dass ich so genervt vom Office bin und daran, dass ich mir so einen Käsereikurs jetzt doch ziemlich gut vorstellen kann.

Noch besser! Käse-Erlebnis-Urlaub! Ziegen füttern und melken, unter Anleitung und mit einem lustigen Kopftuch ein bisschen in der behandelten und mit Lab versetzten Milch puddeln. Später die fertigen Käselaibe mit Kräutern und Blüten dekorieren. Abends im Bergsee abkühlen, im flauschigen Bademantel mit Käseteller, Prosecco und Wellness den Tag ausklingen lassen. Das wär doch was!


Dies ist mein Text zur Blognacht mit Anna Koschinski. In der Blognacht entstehen ganz besondere Texte, wenn ich es schaffe, mich auf den Impuls einzulassen und direkt zu veröffentlichen. Jetzt habe ich Lust, die anderen Blognacht-Texte zu lesen … und bald wieder auf den Erzeugermarkt zu gehen und Käse zu kaufen.


Kommentare

11 Antworten zu „Hausgemachter Käse“

  1. […] Auch eher übertragener Käse findet sich im Text von Astrid Schewe. Sie schreibt über hausgemachten Käse bei der Digitalisierung und im Büroalltag. Und findet auch noch Gefallen an der Idee, mal selbst Käse herzustellen – auf der Alb, nicht im Büro: Hausgemachter Käse […]

  2. […] ich von zuhause aus gearbeitet habe. In der Blognacht: Was für unterschiedliche Texte zum Impuls „hausgemachter Käse“ […]

  3. […] Digitalisierung im Arbeitsleben ist Schlimm, Beweisstück 1 (Foto Nr. 4) und Beweisstück 2. […]

  4. Liebe Astrid,

    was für ein Text! Hab gar nicht gemerkt, dass du urlaubsreif bist (übrigens finde ich „Auszeit mit Käseplatte“ ist auch ein ziemlich geiler Schreibimpuls, das kommt auf meine Liste zu „Nachdenken mit Trüffelkäse“). Ach ja und wenn du diesen Urlaub gefunden hast, sag mal Bescheid, dann rühren wir zusammen 🙂

    Liebe Grüße und bis zum nächsten Jahr
    Anna

    1. Astrid Schewe

      Liebe Anna, danke für den Impuls! Blognacht ist ja quasi Urlaub. Wie wäre es mit 28 Tage Content Käse in Annecy? Liebe Grüße, Astrid

  5. Ein sehr kluger Zugang zum Impuls, liebe Astrid. Mir gefällt besonders, wie du „hausgemacht“ nicht romantisierst, sondern mit Verantwortung, Entscheidungen und Alltagstauglichkeit verbindest. Der Text zeigt gut, dass es nicht um Perfektion geht, sondern um bewussteres Arbeiten mit dem, was da ist. Ein alltagsnaher Beitrag zur Blognacht.

    1. Astrid Schewe

      Danke für deinen Kommentar, liebe Shivani. Du hast gut erkannt, dass ich eher die Arbeit sehe, die „hausgemacht“ bedeutet. Viele liebe Grüße, Astrid

  6. Liebe Astrid,

    großartig, wie du die Kurve vom selbstgemachten Käse zu diversem Käse in digitalen Prozessen hinbekommen hast. Ich mag deinen Blogartikel.

    Herzensgrüße,
    Angelika

    1. Astrid Schewe

      Liebe Angelika, es freut mich, das dir mein Text gefällt. Ich bin auch froh, dass ich die „Käsekurve“ noch gekriegt habe 🧀 liebe Grüße, Astrid

  7. So einen Urlaub auf der Alm kann ich sehr empfehlen! Habe ich während des Studiums mal mit ein paar Kommilitonen auf dem Berg bei Annecy gemacht. Jeden Tag frische Ziegenprodukte und das nicht nur von der Milch. Am besten war natürlich der frische fromage blanc. Sowas gibt es in Deutschland leider nicht… So ein Käse! 😉

    1. Astrid Schewe

      Wie cool, genau sowas schwebt mir vor🧀🐐🏔️

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert