Karriere und Assistenz – wie passt das überhaupt zusammen? Judith Ahrholdt hat über 20 Jahre Führungserfahrung in der Assistenz und erklärt im Interview, wie du durch Job Crafting mehr Erfolg und Wertschätzung erreichen kannst.
Das Herzensthema von Judith Ahrholdt ist es, ambitionierte Assistenzen auf ihrem Weg zu mehr Klarheit und Erfolg zu begleiten. Dabei ist Judith eine empathische Sparringspartnerin, die viel Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt.
Judith arbeitet als Referentin der Geschäftsführung in der Versicherungsbranche und leitet ehrenamtlich die Region Nord im Assistenz-Netzwerk Deutschland (ANiD).
Zuletzt haben Judith und ich uns auf der „Assistants‘ World 2025” getroffen. Auch bei dieser Veranstaltung für Assistenzkräfte und Office-Professionals zeigte sich, dass Assistenzen oft engagiert sind und mehr erreichen wollen. Nur die Arbeitgeber haben dieses Potenzial noch nicht erkannt – ohne Eigeninitiative gibt es kaum Aufstiegsmöglichkeiten.
Das deckt sich mit dem Ergebnis von Judiths Umfrage in der ANiD-Gruppe auf LinkedIn. Sie hat nachgefragt, welche Hürden Assistent:innen auf ihrem Karriereweg sehen. Die Mehrheit – ganze 40 Prozent der Teilnehmenden – gab dabei an, dass es in ihrem Unternehmen keinen ausgewiesenen Karrierepfad für Assistenzen gibt.
Unter diesen Bedingungen kann Job Crafting (übersetzt heißt das so viel wie „Arbeitsplatz-Basteln“) helfen, eigene Karrierewege zu entwickeln. Genau darüber hat Judith einen Beitrag im Buch „Chefsache Assistenz” geschrieben und spricht im Beyond-Coffee-Interview darüber.
Job Crafting: Der handgeschnitzte Job
Job Crafting basiert auf drei Säulen. Die erste Säule ist das Aufgabencrafting ( auch Task Crafting), bei dem du deine Aufgaben veränderst und optimierst. Die zweite Säule ist das Beziehungscrafting (Relationship Crafting): Dabei betrachtest du, welche Beziehungen du aufbauen und pflegen kannst, um deine Ziele besser zu erreichen.
Judith hebt vor allem die dritte Säule, das kognitive Crafting, also die Veränderung der eigenen Einstellung, hervor:
„Beim kognitiven Crafting stellst du dir die Frage: ‚Wie blicke ich selbst auf meinen Job?‘. Das ist die wichtigste Säule, denn diesen Bereich des Job Craftings kannst du ganz allein steuern.“
Job Crafting beginnt damit, dass du dir überlegst, wie sinnvoll das ist, was in deiner Aufgabenbeschreibung steht, und zwar im Hinblick auf die Ziele des Unternehmens, die Ziele deiner Führungskraft und auch im Hinblick auf deine eigenen Ziele.
Durch Aufgabencrafting Freiraum schaffen
Wie man sein Profil am Arbeitsplatz mit Job Crafting verändert, lässt sich gut anhand des Aufgabencraftings erklären. Du passt deine Aufgaben schrittweise an deine Ziele an und gibst die Bereiche ab, die dich deinen Zielen nicht näherbringen.
Das kannst du zum Beispiel durch den Tausch von Aufgaben erreichen. Du musst keine Angst davor haben, unbeliebte To-dos an andere abzugeben. Es kann sogar sein, dass die Aufgabe, die dich stresst, jemand anderem richtig gut gefällt. So hat es auch bei Judith funktioniert.
„Ich habe einmal ein System entwickelt, mit dem Mitarbeitende ihre Weiterbildungszeiten selbst tracken können. Die Entwicklung des Systems hat mir großen Spaß gemacht. Aber als es dann lief, brauchte es immer noch eine Person, die die von den Kolleg:innen eingegebenen Zeiten nochmals prüft. Grottenlangweilig für mich … aber nicht für meine Kollegin.“
Judiths Kollegin hatte genau darauf Lust: die Eingaben checken, bei Bedarf mit den Kolleg:innen abklären und so dafür sorgen, dass alles stimmt. Eine schön klar umrissene Aufgabe.
„Im Gegenzug hat mir diese Kollegin ein neues und für sie unübersichtliches Thema gegeben. Für sie war es ein Problem, nicht zu wissen, wie sie das aufziehen soll. Ich habe mich gefreut und gedacht: ‚Yes, eine neue Sache, in die ich mich einarbeiten kann!‘“
In diesem Fall ist also eine Win-win-Situation entstanden, die beide entlastet hat. Denn eine Aufgabe, die man immer vor sich herschiebt, bedeutet mehr Stress und weniger Zeit für die wichtigen Themen.
Strategisch vernetzen als Assistenz
Dieser Tausch war nur möglich, weil Judith wusste, wer im Team welche Lieblingsaufgaben hat. Hier kommt das Beziehungscrafting ins Spiel.
„Die meisten Assistenzen sind richtig gut im Beziehungscrafting, wissen das aber oft gar nicht. Sie kennen die meisten Personen im Unternehmen nicht nur mit Namen, sondern auch ihren Arbeitsstil, ihre Stresspunkte und Lieblingsthemen.“
Wenn du Beziehungscrafting strategisch angehen möchtest, kannst du dir folgende Frage stellen: Wer ist wichtig für mich oder für meine Führungskraft? Wer ist neu in der Firma? Wen möchte ich gerne kennenlernen?
Dasselbe gilt für Ansprechpartner außerhalb des Unternehmens, also Kunden, Lieferanten und Dienstleister. Gute Beziehungen sind immer dann hilfreich, wenn es mal hakt – hat man einen guten Kontakt, lassen sich Probleme leichter lösen.
Eine der wichtigsten Beziehungen ist selbstverständlich die zu deiner Chefin oder deinem Chef. Allerdings ist sie nicht immer die einfachste. In Judiths ANiD-Umfrage gaben 20 Prozent an, dass ihre Führungskraft ihrer Karriere im Weg steht. Judith nimmt dieses Problem sehr ernst.
„Es ist schlimm, wenn man sich beruflich entwickeln möchte und ausgebremst wird. Das ist mir mehrfach passiert, und ich kann sagen: Das macht keinen Spaß.“
Gerade die ersten Gespräche zum Job Crafting können Führungskräfte verunsichern. Wenn du beispielsweise vorschlägst, eine Aufgabe zu verändern oder abzugeben, hast du zwar eine genaue Vorstellung, doch dein Gegenüber braucht möglicherweise noch Zeit, um deine Idee zu verstehen. Judith rät dazu, das sportlich zu nehmen.
„Gib dich nicht mit dem ersten ‚Nein‘ zufrieden, aber rechne immer auch mit einem ‚Nein‘. Wenn meine Führungskraft zu meiner wilden Idee mit einem ‚Nein‘ antwortet, versuche ich es später erneut auf anderem Weg und einer besseren Begründung.“
Hierbei ist es wichtig, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen und transparent zu bleiben. Betone den Nutzen für deine Führungskraft und das Unternehmen und mache deutlich, dass du deine Aufgaben beim Job Crafting nicht vernachlässigst, auch wenn du sie eventuell anders erledigst als bisher.
Mit der richtigen Einstellung ans Ziel
Für Judith ist kognitives Crafting die Grundvoraussetzung, um ins Aufgabencrafting und Beziehungscrafting zu gehen. Interessanterweise haben sogar 28 Prozent der Teilnehmenden aus Judiths Umfrage angegeben, dass sie selbst der Grund sind, weshalb ihre Karriere stockt.
Das wundert Judith nicht. Aus ihrer Erfahrung heraus agieren Assistenzen gerne ruhig im Hintergrund. Erst mit einer gewissen Reife trauen sie sich, sich zu zeigen und ihren Job zu verändern.
„Sobald dir klar wird, dass du der wichtigste Mensch in deinem Leben bist und dass du dafür verantwortlich bist, dass es dir gut geht, ist der erste große Schritt getan.“
Daraus ergibt sich auch, dass du für deine Ziele verantwortlich bist – sowohl dafür, sie zu definieren, als auch dafür, an ihrer Verwirklichung zu arbeiten. Du hast keinen Einfluss darauf, ob sich dein Umfeld, die Chefin oder das Team verändern. Aber du kannst deine Einstellung zur Arbeit ändern und dich anders verhalten als bisher.
Das kann schon damit beginnen, einfach das kleine Wort „nur“ wegzulassen.
„Ich bin nicht ‚nur‘ die Assistentin, sondern ich bin ich. Ich habe meinen ganz individuellen Weg. Sich dessen bewusst zu werden, verändert schon sehr viel.“
Auch wenn es sich anfangs noch nicht ganz authentisch anfühlt, ist es hilfreich, neue Verhaltensweisen zu trainieren. Alte Muster lassen sich nicht von heute auf morgen ablegen, aber wenn du sie dir immer wieder bewusst machst, klappt es immer besser.
„Je mehr ich mich so verhalte, wie die Person, als die ich gesehen werden möchte, desto mehr behandeln mich die anderen Leute auch so.”
Für Judith ist das Wichtigste beim Job Crafting ganz klar: anfangen und ins Handeln kommen.
Dabei kann es helfen, das Ganze wie ein kleines Experiment zu betrachten und sich von ersten Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen.
Es kann sogar richtig Spaß machen, sich wertschätzend mit dem eigenen Job auseinanderzusetzen. Vor allem, wenn die ersten Ziele erreicht sind und du deine Erfolge feiern kannst.
Fünf Tipps, mit denen du ins Handeln kommst
- Job Crafting bedeutet Selbstwirksamkeit: Es steigert deine Motivation und Leistung und macht dich zufriedener im Job.
- Die zusätzliche Zeit, die du für Job Crafting aufwendest, lohnt sich wirklich. Insbesondere, wenn du zu viele Aufgaben auf dem Tisch hast, kannst du dir neue Freiräume schaffen.
- Beim Aufgabencrafting kannst du auch überlegen, ob einige deiner To-dos automatisiert werden können – Stichwort KI. Du bleibst weiterhin verantwortlich, brauchst aber weniger Zeit.
- Etabliere eine gesunde Fehlerkultur mit dir selbst. Wenn etwas nicht funktioniert hat, ist das gar nicht schlimm. Beim nächsten Versuch klappt es bestimmt schon besser.
- Du kannst auch deine Einstellung zum Job verändern. Erfolgreiche Assistent:innen agieren auf Augenhöhe mit ihrer Führungskraft und ihrem Unternehmen. Damit kannst du jederzeit selbst beginnen.

Wenn du Inspiration rund ums Executive Office suchst, dann vernetze dich mit Judith Ahrholdt auf LinkedIn.
Im Podcast mit Saskia Hagendorf spricht sie ausführlich über das Thema „Aufgabencrafting“.
Oder du liest das Kapitel von Judith im Standardwerk „Chefsache Assistenz“.
Auch mich erreichst du über LinkedIn oder du kannst mir eine E-Mail an astrid@kaffeekochen-war-gestern.de schicken. Ich freue mich auf den Austausch zu deinen Themen aus der Assistenz!
Möchtest du mehr darüber lesen, wie die moderne Assistenz tickt? Hier findest du alle Beyond-Coffee-Interviews auf einen Blick.
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