Anna fragt in der Mai-Blognacht nach einer Revoluzzer-Story. Klar, ich fühle mich manchmal wie ein digitaler Ninja, ein Assistenz-Punk und wie eine Inhouse-Revolutionärin. Aber breche ich wirklich die Regeln?
„Je fais ce que je veux!“ So klingt Revolution in der Sprache der Revolution. Wörtlich übersetzt „Ich mach, was ich will!“, aber mit einem klaren Unterton von „Nimm dich in Acht, ich fackel hier gleich alles ab und dich zünd ich mit an“.
Wenn ich Regeln breche, brülle ich keine Parolen und es riecht nicht nach Rauch. Ich bin nicht wütend. Oder vielleicht doch? Vielleicht doch.
Es gibt im Büro viele ungeschriebene Gesetze. Regeln, die stillschweigend befolgt werden. Wer sie anspricht, wird beschwichtigt. „Ach, das ist mir noch nie aufgefallen“, „Ich mache das aus ganz anderen (persönlichen, nicht systemischen) Gründen“, „Da interpretierst du jetzt aber ganz schön viel rein“.
Wer hütet das Telefon und wieso nochmal?
Als ich den neuen Job vor einer Ewigkeit anfing, mussten die Telefone in der Mittagspause, also zu den Kantinenzeiten, besetzt sein, für den Fall, das jemand anruft. Das machten immer die Assistenzen, nie die ReferentInnen oder der Chef.
Dieses ungeschriebene Gesetz zog weitere Regeln nach sich:
- In der Pause immer die Zeit einhalten, sonst kann die andere Assistenz nicht Mittag machen und ist hangry.
- Ganz enge Abstimmung, wer, früh und wer spät Essen geht, sonst funktioniert der Plan nicht.
- Wer neu ist, kann sich da auch nicht einfach rausnehmen. Oder was glaubst du, wer du bist?
Der Rest des Teams, der Chef und die ReferentInnen, war nicht in dieses System eingebunden. Alle stellten locker ihr Telefon auf ihre Assistenz und machten Pause. Folglich konnten die Assistenzen auch nie mit dem Team zu Mittag essen.
Wenn eine Assistenz nicht in die Kantine ging, kam das nur gelegen, weil sie dann die Telefone hüten konnte. Das jedoch bedeutet: Essen am Schreibtisch oder auf die Schnelle vorm Supermarkt.
Ich war neu und habe einfach mit dem Team Pause gemacht, weil ich das von der vorherigen Stelle so kannte.
Das gab Irritationen. Beim Team leichte Verwunderung und bei den Assistenzen Argwohn. „Du hast gar nicht gesagt, wann du Pause machst“ – „Ja, weil ich, wie alle, immer um 11:45 in Pause gehe“. „Dein Telefon war gar nicht umgestellt“ – „Richtig, weil ich einen Anrufbeantworter eingerichtet habe“.
- Nächstes ungeschriebenes Gesetz: Anrufbeantworter ist doch verboten, dürfen wir ja gar nicht.
Doch, ich habe es im Mitarbeiterhandbuch nachgeschaut. Da stand nix. Auch nicht, dass allein Assistenzen auf die Telefone zu achten haben. Ich habe also einfach mein Ding durchgezogen, mir alles mögliche dazu sagen lassen und dann doch einfach so gemacht, wie ich wollten. Schlechtes Gewissen und pures Genervtsein beiseite schieben.
Dank Anrufbeantworter wusste ich eines nämlich ganz genau: Dieses ganze Tänzchen um die Telefone am Mittag war kompletter Bullshit. Niemals hat irgendwer Mittags angerufen. Niemals.
Derartige Telefon-Probleme gibt es inzwischen nicht mehr. Da war eine Pandemie, man kann jetzt von Zuhause aus arbeiten, alle haben ein Diensthandy.
Heute denke ich darüber nach und ich finde, dass ich richtig gehandelt habe. Nur eine Sache würde ich ändern: Ich hätte es offen aussprechen sollen.
Ich hätte laut und deutlich sagen sollen „Ich mach‘ meine Pause, wie ich es will!“
Dieser Text ist Ergebnis der 55. Blognacht von Anna Koschinski mit dem Impuls „Wo brichst du gezielt die Regeln? Kleine Revoluzzer-Story“. Ich habe mich leergeschrieben und lese jetzt, was die anderen Teilnehmenden bisher verfasst haben.
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