Mein erstes Barcamp: Innovationculture Camp in Wiesbaden

Innovationculture Camp 2025 Im Vordergrund Klemmbausteine im Hintergrund die Gruppe der Session

Meine unstrukturierte Zusammenfassung des Innovationculture Camp 2025 in Wiesbaden. Für mich waren es gleich zwei Premieren: Die erste Teilnahme an einem Barcamp und auch das erste Mal, dass ich Barcamp-Session gegeben habe. Was habe ich mitgenommen? Inspiration, Kontakte, Buchtipps.

Schon auf dem Weg vom Bahnhof zum Louisencenter konnte ich andere Barcamp-Teilnehmer ausmachen und hab sie angequatscht: Zu viert erreichten wir nach kurzer Orientierungsphase die Location. Das Innovationculture Camp fand in den sehr flexibel und fröhlich eingerichteten Büroräumen von AOE statt.

Meine Bekanntschaften wurden mit großem Hallo begrüßt, sie sind alte Barcamp-Hasen und wurden von allen Seiten in Empfang genommen. Überhaupt sind alle hier super nett. Beim Check-In bekam ich ein Festivalbändchen und einen schicken Jutebeutel. Das Orgateam freute sich über den Trubel auf der Fläche. Nach dem Check-In ging ich alleine auf Erkundungstour … irgendwo Kaffee in Sicht?

Frühstück, Sessionplanung, viele neue Gesichter

Ja, es gab Kaffee. Und belegte Brötchen, Croissants und Schokoteilchen. Wir wurden im Vorfeld per Mail gebeten, eigene Wasserflaschen mitzubringen. Ich füllte meinen Thermobecher mit Kaffee auf, schnappte mir ein Schokobrötchen und schaute mich in Ruhe um.

Im Zentrum der Location war ein Amphitheater aufgebaut, große Stufen auf denen sicher 100 Personen Platz fanden und auf den Beginn der Sessionplanung warteten. Im hinteren Teil befanden sich ein großer Loungebereich, die Cafeteria und drei kleinere Besprechungsräume. Zum Glück hingen überall Raumpläne aus, denn ohne hätte ich sicher keine der Sessions gefunden.

Um 9:30 Uhr eröffnete Tom, der Organisator des Barcamps, das Event. Er stellte das Orgateam vor, bedankte sich bei den Sponsoren und erklärte alles Wissenswerte zum Ablauf und zur Organisation. Es folgte eine Begrüßungsrunde, bei der ich mit vier Frankfurterinnen die Gemeinsamkeit „eine Weile im Ausland gelebt“ fand.

Danach ging es an die Planung des Sessionboards. Aufregend, denn ich hatte eine eine der 50 Sessions eingereicht und durfte diese nun in kürzester Zeit vor der gesamten Gruppe (es waren wohl 200 Leute angemeldet) pitchen. Mein Thema „Büroarbeit neu denken – Ist das noch Officetätigkeit oder kann das weg?“ wurde freundlich angenommen und für 12 Uhr auf den Sessionplan gesetzt.

… und dann lief mir Marianne, die Freundin einer Freundin, über den Weg und sie kam später sogar zu meiner Session.

Sieben Sessions und was ich daraus mitnehme

Ich habe sieben Sessions besucht, eine davon war meine eigene, zwei andere habe ich nur teilweise angesehen, weil ich – das ist beim Barcamp ausdrücklich erlaubt – zwischendrin einmal den Raum gewechselt habe. Aus den Sessions bekommt man immer wieder Mosaiksteinchen für das eigene Thema. Die Haltung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ist kooperativ und die Ergebnisse sind kleinteilig.

Session #52: Wie können wir mit Innovation unsere Demokratie vor dem Rechtsruck schützen?

Kann man in nur 45 Minuten eine so umfassende Fragestellung diskutieren? Martin bat beim Pitch der Session vor allem um Optimismus und Ideen. Die Gruppe hatte hier einiges auf Lager:

  • Verbindung aufnehmen
  • Engagement für die Gemeinschaft zeigen
  • Engagement möglich machen für Menschen, denen z. B. die Ressourcen für aufwändige Vereinsarbeit fehlen
  • Agile Methoden auch auf politsche Entscheidungsprozesse anwenden
  • und wenn man das Methodenwissen hat, der Politik und Kommune anbieten, dabei Unterstützung zu leisten
  • Menschen und ihre Kränkungen anerkennen
  • Sich bewusst werden, dass das Gefühl der Überlegenheit gegenüber anderen in einer Diskussion bereits ein Zeichen für eine Schieflage der Kommunikation ist

Martin hat die Session konzentriert moderiert und Notizen am Laptop erstellt. Nach den 45 Minuten waren alle eingeladen, anhand der Notizen weiter zu diskutieren.

Session #15 Büroarbeit neu denken: Ist das noch Office-Tätigkeit oder kann das Weg?

Aber ich ging direkt zu meiner eigenen Session im Raum „Kochbrunnen“. Wenn das Thema „Weglassen“ lautet, wäre es das falsche Signal, zu doll vorbereitet in die Session zu gehen. So hatte ich nur die ungefähre Idee, gemeinsam mit allen eine „Weglass-Liste“ zu erstellen. Insbesondere im Hinblick auf zukünftige Veränderungen durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz.

Hier die unstrukturierte Weglass-Liste

  • Angst vor KI weglassen
  • Zu hohe Ansprüche / Erwartungen an KI weglassen
  • Arbeiten am Limit weglassen
  • Alle Dinge, die mich ankotzen, weglassen
  • Team-Mails nach Absprache weglassen
  • Prozess-Trampelpfade im Kopf weglassen
  • Push-Berichte, die nicht gelesen werden, weglassen

Es wurde auch über Mechanismen gesprochen, die dazu führen, dass die Zeit immer wieder mit neuen Aufgaben ausgefüllt wird oder alte Aufgaben aufrechterhalten werden.

  • Tendenz zu immer mehr Arbeitsverdichtung
  • Angst vor Identitätsverlust, da Aufgaben Identifikaton schaffen
  • Mit der Entlastung auf der einen Seite steigen auf der anderen Seite die Anforderungen („Waschmaschineneffekt“)

Und dann gab es eine weitere Liste mit den Dingen, für die es neuen Freiraum bräuchte.

  • Lernen, mit KI umzugehen
  • Fit for Technology werden (braucht Freiraum vor der KI-Einführung)
  • Eine Arbeitsidentität für sich entwickeln
  • Gamification des Lernens (fünf Minuten täglich reichen)
  • Produktive Prokrastination

Es waren ungefähr 12 Leute im Raum und es gab Perspektiven von Angestellen, Selbständigen, Führungskräften, Assistenzen, HR, Theater, Behörde und IT. Ich war gar nicht so alleine mit meiner Session: Marianne hat sich als Flipchart-Hilfe und Jannik als Timekeeper angeboten, so waren wir pünktlich fertig und hatten alles festgehalten. Die Gruppe ließ sich sogar zu einem Ein-Wort-Checkout überreden – ich fand, es hat Spaß gemacht!

Nach der Session war ich ganz schön aufgekratzt und habe mich nach dem Lunch auf dem Balkon etwas abgekühlt. Es gab netten Smalltalk mit lauter interessanten Leuten. Mein Pitch war dafür ein guter Aufhänger.

Sessions #58 und #17 Zukunftskompetenz in der Unternehmenskultur, Der KI-Experimente & Competence Guide

Nach dem Mittagessen war ich wohl noch nicht bereit für eine ganze Session, ich habe kurz in Simones Session zur „Zukunftskompetenz“ reingeschaut, aber wollte mich dann doch nicht mit dem Thema „Mitarbeiterkündigung“ belasten.

Und dann war ich noch in der Session von Wolf über KI-Experimente, zu der ich wenig Ahnung aber viele Fragen hatte. So viele Möglichkeiten, Prozesse mit KI durchzuchecken, nur für die Themen von Wissensarbeiter*innen gibt es noch keinen klaren Lösungsweg.

Session #39 Mit Klemmbausteinen die echten Teamthemen abbilden?

Ich wollte unbedingt auch zu einer der Sessions, bei der etwas gebaut wird und bin dann bei Florian und Burkhard gelandet, bei denen wir mit Klemmbausteinen (für die kurze Runde mit Lego Duplo) basteln konnten.

Unsere Aufgabe: Stelle dich bei ein paar Leuten mit drei Kleimmbausteinen vor … Was sagt mein buntes, symmetrisches und abstraktes Modell über mich? Und was heißt es, dass ich einfach fünf statt drei Steine benutzt habe?! Anhand der Modelle konnte man sich einfach vorstellen und Gemeinsamkeiten finden.

Burkhard und Florian haben noch mehr aus der LSP-Praxis erzählt. Denn es geht um mehr, als nur um Lego-Modellbau. Vor allem für das Team-Building ist es spannend, Modelle von abstrakten Begriffen zu bauen, damit man nicht mehr aneinander vorbei redet.

Was ist Vertrauen? Ein Safe? Oder ein Sicherheitsnetz? Dasselbe Wort, aber ganz unterschiedliche Erwartungen. Es lohnt sich, mit erfahrenen LSP-Facilitators zusammenzuarbeiten, die Gruppendynamik lesen können, mehrstufige Workshops konzipieren und auch die Grenzen der Methode kennen.

Session #26 Unfuck the Arbeitsmarkt: MI für KI

Zu Eikes Session kam ich etwas später dazu, denn beim Nachmittagskaffee hatte ich mit Christine über die Zukunft der Assistenzarbeit gesprochen und mit Michael aus dem Lego-Workshop Kontaktdaten ausgetauscht.

Eike ist ein grundsympatischer Typ und hat vier Thesen zum Arbeitsmarkt aufgestellt. In seinem Workshop wurden die Thesen an vier Stationen im Raum weiterdiskutiert, erst zu zweit, dann zu dritt. Danach gab es noch die Möglichkeit in einem geteilten Dokument die Frage „Was muss passieren, um mehr Innovatoren ins Unternehmen zu holen?“ zu beantworten. Eine runde Sache.

Besonders angesprochen hatte mich die These, dass Innovatoren im Unternehmen lange Zeit im Verborgenen agieren müssen und dachte direkt wieder an die „digitalen Ninjas“, die einfach mal machen und so weit gehen, wie sie können.

Session #56 Deep Reading

Die letzte Session war wieder im großen Saal und wurde im Doppelpack gegeben von Tanja und Bettina. Beide haben vorgestellt, wie sie als „Business Book Buddies“ viel mehr aus ihrer Leseerfahrung herausholen. Ein cooles Duo und eine interessante Methode:

  • Tanja und Bettina einigen sich auf ein Sachbuch, dass sie gemeinsam lesen möchten.
  • Dann lesen sie – jede für sich – 25 Seiten und machen sich Notizen dazu. Praxistipp: Ein Heft dafür kaufen, das danach im Buch verbleibt.
  • Wenn beide die 25 Seiten geschaffft haben, treffen sich (online) um über ihre Notizen zu sprechen und sie wiederholen das alle 25 Seiten.

Die beiden beschreiben mehrere Effekte von „Deep Reading“:

  • Durch den Austausch miteinander, finden sie viel mehr Beispiele und Anknüpfungspunkte, das Gelesene bleibt so besser im Gedächtnis.
  • Sie überlegen auch gemeinsam, wie man die Inhalte direkt in Praxis umsetzen kann und machen das dann auch.
  • Es fühlt sich dann so an, als hätte man das Buch bereits zweimal gelesen, weil man direkt zwei Perspektiven kennenlernt.

Auch die Diskussion danach war spannend. Bibliothekarin Carolin dachte sofort daran, ob man das als Buchclub in der Bücherei anbieten könnte. Ich hingegen hab mich gefragt, ob Lesen dann noch entspannend bleibt. Auf jeden Fall ein spannender Impuls und ein großer Aufruf, zu lesen, was das Zeug hält und zwar alles querbeet.

Feedback zum Schluss

Zum Abschluss moderierte Tom die allgemeine Feedbackrunde … also richtig viel Feedback und alles live in der große Gruppe. Es gab viel Lob für die Location, das Orgateam, die Sketchnotes und – ganz besonders – für die Kinderbetreuung, die zum ersten Mal angeboten wurde und für die anwesenden Eltern und Kinder ein großes Highlight war.

Ich war in dem Moment schon ziemlich K.O. von dem langen Tag, den ganzen Eindrücken und auch mit dem Blick auf die Heimfahrt nicht mehr so aufnahmefähig.

Das Barcamp war wirklich noch viel, viel besser, als ich es mir vorgestellt hatte: Die Atmosphäre so locker und alle so am gemeinsamen Lernen interessiert. Ich kann das Format nur weiterempfehlen und würde jederzeit wieder mitmachen!

Sachbuchempfehlungen des Tages

In fast jeder Session wurden Bücher empfohlen, die hier habe ich mir notiert:

  • Peter Modler – Mit Ignoranten Sprechen
  • Prof. Dr. Maren Urner – Radikal emotional
  • Dana Buchzik – Warum wir Familie und Freunde an radikale Ideologien Verlieren – und wie wir sie zurückholen können
  • David Hillmer – PLAY!
  • Adam Grant – Hidden Potential – Die Wissenschaft des Erfolgs
  • Rutger Bregmann – In Grunde gut
  • Wolf Lotter – Echt. Der Wert der Einzigartigkeit in einer Welt der Kopien.

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