Mein Leben als Remixer

Auf dem Bild sieht man ein klassisches Wiener Fahrgeschäft von unten: Es handelt sich um ein Kettenkarussell, dass an einer Stahlkonstruktion ganz weit hoch gefahren werden kann. Man sieht, dass ganz weit oben Leute sitzen.

Hallo, ich bin Astrid und ich bin ein Remixer. (Ihr jetzt alle unisono: „Hallo, Astrid“).

Diese Einleitung wurde bereits acht zwölf Mal gelöscht und leicht verändert neu getippt. Es ist Februar und ich habe durch #28TageContent meinen Schreibtyp gefunden: Remixer.

Durch 28 Tage Content setze ich mich den ganzen Februar über mit meinem Blog und dem Schreiben auseinander durch Schreibimpulse, Austausch und Feedback im Gruppenforum und Zoom-Calls. In einem dieser Calls hat Anna uns die fünf Schreibtypen nach Ella Grieshammer vorgestellt.

Bei mir hat’s Klick gemacht.

Meine Texte haben Murmeltiertag

Ich bin eine klassische Remixerin. Das heißt:

  • Ich habe Knallerideen für Texte
  • Verwerfe sie aber auch schnell wieder
  • Schreibe spontan drauflos
  • Die Struktur findet sich dann schon noch
  • Bin ich mit dem Ergebnis unzufrieden (immer), starte ich neu …
  • Und nochmal neu …
  • und nochmal neu
  • Unter Zeitdruck? Immer Oberkante Unterlippe
  • Schnelle Änderung in letzer Minute? Hi, it’s me!
  • Auch ich: Text voller Anschlussfehler, weil tausendmal umgestellt

Ob die Autoren von „Und täglich grüßt das Murmeltier“ wohl auch Remixer sind?

Als Remixerin schreibe ich in Versionen. Ich meißele, feile und poliere also nicht an einem Ursprungstext rum, sondern ich fange wieder bei Null an, bis die Wörter richtig sitzen.

Das macht Bloggen für mich so befriedigend: Ich kann alle Texte nochmal ändern, wenn mir danach ist. Entstehen aus einer Idee mehrere Texte? Im Internet ist wohl noch Platz.

Aha-Effekt

Seit ich weiß, dass ich ein Remixer bin (seit letzter Woche), kann ich mir auch meine Blockade bei der Magisterarbeit besser erklären. Ich habe richtig lange eine Gliederung ausgetüftelt, WEIL MAN DAS SO MACHT und hatte dann gar keine Zeit mehr zum (Versionen-)Schreiben übrig. Normal.

Dass ich Remixer bin, erklärt auch den Blick meiner der Dozentin bei der Durchsprache der Prüfungsergebnisse. Sie war schockiert: „Sie haben Passagen gestrichen, die komplett in Ordnung waren!“ Ja. Ich hatte in der schriftlichen Prüfung drei Seiten geschrieben. Alles gestrichen. Und nochmal neu geschrieben. Normal.

Das gefloppte Kommunikationspraktikum. Ich sollte für die Mitarbeiterzeitung („mITtendrin“, weil für die IT-Abteilung) Artikel schreiben. Nach ganz engen Vorgaben für Unternehmenskommunikation aus einem Journalismus-Buch. Form jedes Mal verfehlt. Normal.

Play it again, Sam

Eins meiner Bilder ist mal im Kunstunterricht verlorengegangen. Erstaunlich, denn es war ein abstraktes, großes Bild, das zum Trocknen im Kunstraum hing. Weg war’s. Meine Kunstlehrerin präsentierte nüchtern einzige Lösung: „Hat Ihnen das Bild gefallen? Dann malen Sie es nochmal.“ Boom!

Ähnliches Erlebnis letztes Jahr im Schreibworkshop mit Doris Dörrie: Am ersten Tag über ein Mitbringsel schreiben und am zweiten Tag wieder über das gleiche Mitbringsel schreiben. Diese Form der Konzentration und Wiederholung kurbelt meine Kreativität an, ständig ploppen neue Ideen auf.

Gleiches beim Butho-Tanz. Ich tanze eine Bildfolge (Butho-Fu) immer und immer wieder, doch dabei entstehen jedes Mal andere Bewegungen, Empfindungen, Ideen, Erfahrungen.

Alles neu

Inzwischen habe ich meinen Flow zurück. Wie damals für die Schülerzeitung. Da hab ich Bravo-Rubriken („Mein erstes Mal“, „Dr. Sommer Team“, Foto-Love-Story) kreuzalbern umgetextet.

Ich schreibe auch in Serien: Nach jedem Training poste ich meinen „Spinning-Ohrwurm der Woche“ auf WhatsApp. Aus meinen Blogbeiträgen kleine Aspekte für Instagram rausziehen? No Problemo.

In den letzten Jahren habe ich intuitiv meine Form gefunden: Ganz ohne Druck immer wieder Neues ausprobieren und auch die Texte veröffentlichen, die nicht perfekt sind.

Alles neu geht immer.

Kommentare

2 Antworten zu „Mein Leben als Remixer“

  1. Haha, das ist ja krass, wie hier die Teile an die richtige Stelle gefallen sind… Für mich war es auch ein Augenöffner übrigens, zu wissen, dass ich eine Planerin bin (und das nicht nur, aber besonders beim Schreiben). Ich liebe diese Vielfalt in unseren Strategien und ich liebe es noch viel mehr, dass du deine Erkenntnisse hier aufgeschrieben hast. Danke für die wertvolle Inspiration! Ich hoffe, jetzt werden noch mehr Menschen auf die Suche gehen nach ihrem Schreibtyp 🙂

    1. Astrid Schewe

      Augenöffner, aber echt! Wär halt schön gewesen, das vor den großen Abschlussarbeiten zu wissen.
      Noch eine Erkenntnis: Den Schreibtyp zu kennen hilft auch, besser Textfeedback zu geben. Ich habe mir zwar schon vor einer Weile abgewöhnt, im Korrekturmodus an KollegInnentexten zu arbeiten, jetzt verstehe ich aber erst wie seltsam meine Änderungen für Nicht-Remixer aussehen müssen.

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